Eigentlich fing dieser Eintrag vor ein paar Tagen anders an als er jetzt endet. Aber so ist das Leben, es verläuft nicht immer gradlinig. So wird die philosophische Analyse von Evas Sicht auf die Welt, unterbrochen von meiner. Ich hoffe ich konnte sie immer entsprechend kennzeichnen. Die Unterbrechungen.
Heute mal wieder was aus der Sternstunde mit Barbara. Mir gehts auch wie Barbara. Einerseits stimmt man in vielen Punkten zumindest bei der Analyse, dass was richtig schief läuft. Aber die Erklärungsmuster oder gar Lösungen da widerspreche ich in vielen Punkten. Und ich komme viel zu oft an den Punkt. dass zu wenig Wissen über menschliches Verhalten vorhanden ist. Die meisten von uns erklären sich das irgendwie alles selbst und stellen eigene Theorien auf. Auch die intellektuelle Elite. Nur kann die ihre Theorien dann eben verbreiten und findet Anhängerschaften. Aber am Ende ist es oft ein subjektives Erklärungsmuster. Mustererkennung. Aber eben nicht unterfüttert mit dem was wir mittlerweile Wissen über Menschen und ihr Verhalten. Und so endet das ganze dann doch wieder in einem „Vorwurfton“ und was man alles wieder anders machen muss. Muuuuss. Aber eigentlich müssten wir uns selbst erstmals nur verstehen. Stattdessen glauben wir immer, dass nur die anderen irgendwas müssen.
Ach ja Eva is Journalistin. Kommt ursprünglich aus Österreich und is jetzt wohl in Berlin beheimatet. Und hat sich den Kampf um die Meinungsfreiheit aufs Dingsda geschrieben. Man merkt bei ihr auch schön, wo sie wirklich auch Puls kriegt. Jeder hat so seinen Puls. Das is problematisch 🙃
Wie fühlt sich Eva im Moment? Bei all den Krisen und Unsicherheiten.
Ich glaube, es geht mir nicht viel anders als den meisten Menschen. Ein Gefühl von Überforderung und manchmal auch Aussichtslosigkeit. Aber mir ist klar, dass die Welt immer schrecklich war und wir heute aber auch zu viel wissen. Und wenn man dieses Wissen ein bisschen zurückdrängt und auch manchmal die Geräte abschaltet, kann man wieder auf sein eigenes Leben und die nächsten Mitmenschen schauen. Dann sieht die Sache wieder anders aus. Ich glaube, die Menschheit wäre sonst gar nicht so weit gekommen.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Ich stimme zu. Weil Fakt ist mit 100%er Sicherheit, dass wir alles schlimme was auf der Welt passiert heute mitbekommen. Früher war unser Dunstkreis kleiner. Und negatives verkauft sich auch noch besser, also gibs Anreize in den Medien eher negative Dinge zu berichten. Weil Löwe wichtiger als Blümchenwiese, auch wenn es mehr Blümchenwiesen gibt. Ausschalten, abschalten, ja. Um im Hier und Jetzt zu sein. Was man ja eigentlich gar nicht mehr so tun sollte, weil mir müssen über räumliche und zeitlichen Grenzen schauen. Hm. Aber was ist mit dem echten Leben direkt hier und heute. Den Menschen um einen drum rum. Zu denen man gehört. Die einen lieben. Die sich sorgen. Und eben auch geliebt und umsorgt werden wollen.
Ich springe gleich mal zur nächsten Sendung. Ging ums Manifestieren. Is quasi der nächste spirituelle heiße Scheiß. Mit ganz viel Kapitalismus versteht sich. Aber vor allem ganz viel Selbstwirksamkeit. Und damit die Frage, warum wir gerade jetzt in Zeiten multipler Krisen so danach lechzen. Obwohl gerade in unserer heutigen Welt eigentlich Selbstwirksamkeit unmöglich ist. Oder wie Ann-Kristin sagte eine Illusion. Ja in unserer globalisierte, vernetzten Welt ist jeder einzelne nur noch ein Staubkorn. Ich stimme zu. Unser Steinzeithirn denkt da noch an Zeiten als wir Teil einer Sippe waren. Als sich de Krisen um 100 Personen drehten. Als man nichts von kommenden Unglücken wusste und so weiter. Als das eigene Handeln noch irgendwie echten Einfluss hatte. Außer es war Schicksal und man konnte nichts ändern. Dafür haben wir ja Götter erschaffen. Aber vielleicht ist auch genau das der Grund, warum wir uns nach Selbstwirksamkeit sehnen. Es fängt uns nichts höheres mehr auf.
Vielleicht ist dieses Manifestieren auch nichts anderes als eben die täglichen Twitterkämpfe. Die Illusion mit seinem eigenen Tun die Welt zu verändern.
Zurück zu Eva. und Twitter und die Krisen unserer Zeit
Sie sagen, sich ein bisschen zurückziehen. Ich frage mich in letzter Zeit oft, ob man das darf, weil mir dauernd eine Gedichtzeile in den Sinn kommt – aus dem Gedicht von Bertolt Brecht „An die Nachgeborenen“: „Was sind das für Zeiten, wo über Bäume zu sprechen fast ein Verbrechen ist“, weil es immer einschliesst, dass man über so viel Unrecht schweigt. Wie geht es Ihnen mit dieser Zeile?
Ja, das ist so ein moralischer Impetus, den wir, glaube ich, als junge Menschen gut verstanden haben. Aber ich glaube, dass es sinnlos ist. Ich glaube, dass wir uns auch verrückt machen, wenn wir uns dazu zwingen, in jeder Sekunde unseres Wachseins uns mit den Schrecklichkeiten der Welt zu beschäftigen, weil wir sie auch nicht ändern können. Ich glaube, es ist absolut hilfreich – auch für das eigene Ruhigbleiben -, wenn man ausblendet.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Vor allem gibt es nicht nur schreckliche Dinge. Nur je mehr schreckliches man konsumiert um so unsichtbarer wird all das gute.
Es gibt Forschungen – ich will jetzt gar nicht sagen, ob das so ganz genau stimmt -, aber es gibt Schätzungen, dass die Informationen, denen ein Mensch in seinem Leben im Mittelalter ausgesetzt war, die sind, die wir heute an einem Tag verarbeiten können sollten. Ich weiss nicht, ob das stimmt, aber selbst wenn es ein Jahr in unserem heutigen Leben wäre: Wir sind von Informationen geflutet und das macht es nicht besser.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Ja. Ist ein Grund warum auch der IQ wieder abnimmt.
Ich glaube, dass dieses ganze Moralgeschrei ein Ausweis von Privilegiertheit ist: Sich dauernd darüber Gedanken zu machen, ob man selbst oder vielmehr der andere auf der richtigen Seite ist und die richtigen Argumente benutzt und sich für die richtige Diskussion gerade interessiert. Der Mensch auf der Flucht oder der Mensch, der ums Überleben kämpft, der Mensch, der drei Jobs hat, weil er sonst nicht durchkommt, hat keine Zeit für diese moralischen Diskussionen. Ich denke, das Moralgeschrei und der Bekenntniszwang sind bereits ein Ausweis für ein Wohlstandsproblem.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Wie war noch mal die Abkürzung für die weißen privilegierten Aktivisten? Die die sich am stärksten für alle Probleme de Welt engagieren und für die Betroffenen entscheiden, weil sie es genau ganz richtig wissen … More in Common hatte das das rausgefunden. Habs vergessen. Irgendwas mit W … müsste die Hübl Vorlesungen durchwühlen.
Aber diese nach aussen gewendete Moral – zu verlangen, dass der andere verdammt noch mal so moralisch zu sein hat, wie ich es ihm gern vorschreiben möchte: Das ist tatsächlich ein Phänomen, das überhandgenommen hat – auch durch digitale Kommunikation.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Dass Werte/ Moral eingefordert wird, ist nicht mal das Problem. Das gab es immer. Soziale Normen gehören zum Mensch sein. Das haben immer die Mitmenschen dann auch eingefordert oder eben Institutionen wie Kirche oder Staat. Nur ist das Problem jetzt, dass wir keine Instanz mehr haben, die uns die richtigen Werte definiert. Wir müssen sie aushandeln. Und manche haben beschlossen. Sie haben Werte definiert. Sie haben die richtige Moral definiert. Und fordern diese ein. Und wer ausschert ist böse. Oder rechts oder links. Was am Ende nichts anderes ist als ein Ausschluss aus der Gruppe. In Zeiten des Internets ist es eben einfach Moral zu definieren und einzufordern. Ein Aushandeln ist da nicht vorgesehen. Was glaube ich von der Evolution grundsätzlich nicht vorgesehen war.
Und so erheben sie sich über andere. Sind im Besitz des einzig richtigen Wissens und der einzig richtigen Moral.
Ich hasse diese Tage, an denen du auf deiner „einsamen“ Tour durch die Natur Emotionen jeglicher Art durchlebst. Das Hirn ist nie still. Nur wenn du es schaffst alles Blut aus deinem Kopf in die Beine zu lenken. Dein Kopf will weinen, du weinst, dein Herz ist schwer, aber das Leben dort draußen, das gerade jetzt aus allen entfleucht. Es singt, musiziert, es strahlt in den schillerndsten Farben. Und so fühlst auch du das Leben. Die Kraft.
Und ich habe sogar ein Lied dafür. Jedes Jahr im April. Für gewöhnlich jedoch nicht aus einer so gedrückten Stimmung heraus. Nur dieses Jahr fühle ich jedes Wort.
Wednesday came with many bricks
I woke up feeling kind of sick
What was a hand is now a fist
I’m so tired of wondering
In every song I’m struggling
Will she find her comforting
Like a book you’ve read on a rainy day
I’m the girl without a name
The one that’s always left off the page
But have you seen the butterfly
How it wakes into another life
More beautiful as the one that died
Today is such a great day to be alive on this sunny April afternoon
Today is such a great day to be alive on this sunny April afternoon
Have you ever wanted to die
‚cause nothing seemed to go to right
Are you contemplating suicide
How every thought becomes so vague
‚cause feelings are so hard to say
So magically they’re swept away
Like a wild horse that knows it’s free
A seasoned flower blossoming
That’s what I would like to be
Yes today is such a great day to be alive on this sunny April afternoon
Today is such a great day to be alive on this sunny April afternoon
Man muss die Sache vom Ergebnis her denken. Was bringt das? Wem bringt das was, wenn ich auf meinem Facebookprofil eine Ukraine- oder jetzt eine Israelflagge zeige? Ich finde das alles total befremdlich, weil das so wahnsinnig verkürzte Botschaften sind, die man ja auch in die eine oder in die andere Richtung auslegen kann. Das ist sog. Virtue signalling, also tugendbesoffenes Signalisieren von: „Ich stehe auf dieser oder jener Seite.“
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Soo und jetzt müssten wir Verhaltenswissenschaften einwerfen. Weil ja ich kann mich drüber aufregen. Und ja es nervt mich genauso. All diese Zeichen, die man setzen muss. Ohne wirkliche Empathie. Sture Mechanismen, geboren aus sozialem Druck. So wie wir Menschen halt funktionieren. Soziale Erwünschtheit. Bei den meisten aber nur die Außenwirkung, das Selbstmarketing. Handeln entsteht dadurch nicht unbedingt. Außer schiefe Blicke.
Moral ist zur Ware geworden. Etwas was auf dem Marktplatz gehandelt wird. Statussymbol. Das waren mal Autos. Oder auch Körperschmuck. Wo man sich überbietet. Einer schöner als der andere. Nur hat das mehrere Haken.
Ich möchte es vom Ergebnis her definieren. Darüber in den sozialen Netzwerken Schlachten abzuhalten, Diskursschlachten, wo man inzwischen … Ich sage jetzt inzwischen immer, wir sind aus der Phase des exzessiven Meinens in die Phase des exzessiven Unterstellens geraten. Also wenn jemand nicht zuerst sagt, dass er das und das schlecht findet, bevor er dann sagt, man sollte das und das machen. Dass die Dinge so normativ aufeinander aufgebaut sind, also dass der Sprechakt eigentlich erwartet ist, weil es jetzt im Moment so gehört: Das ändert absolut gar nichts an sehr vielen Situationen.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Was uns xmal in die TL gespült wird, halten wir für richtig. Dagegen kommt man nicht an. Es gibt mittlerweile genug wissenschaftliche Abhandlungen darüber. Und Gruppeneffekte und blubs. Und ja, all diese Debatten ändern nichts. Aber in einer Demokratie muss man ausdebattieren. Die macht man das mit 80 Mios? Weil dank Internet kann jeder mitdiskutieren. Nicht mehr nur die „intellektuelle Elite“. Und so werden ganz andere REgeln gemacht und ganz andere Forderungen gestellt als wir wie von früher kanntten.
Ich glaube – um jetzt persönlich zu antworten: Einen Verein zu gründen für Meinungsfreiheit und ihn möglichst divers aufzustellen und die ganzen inneren Diskussionen auch auszuhalten oder abzufedern, wie wir das jetzt seit anderthalb Jahren versuchen, ist weit mehr, als jeden Tag auf den sozialen Medien zu sagen, dass ich das für richtig und das für falsch halte.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Gut das ist jetzt Selbstbeweihräucherung. Und das Pochen auf Meinungsfreiheit allein löst die Probleme mit unserem Hirn/ Verhalten auch nicht. Und wer registriert diesen Verein überhaupt?
Seufts.
Weil es nämlich schlechte Folgen hat. Sie sagen, dieser Zwang, der würgende Wunsch, unbedingt auf der richtigen Seite zu stehen, erzeuge verbale Aggression.
Absolut. Man muss sich die sozialen Netzwerke ja nur anschauen. Das ist ein Exzess der Aggression. Es ist in der Geschichte der Menschheit noch nie so gewesen, dass man theoretisch gleichzeitig die privaten Meinungen des ganzen Globus wahrnehmen könnte und dann auch noch darauf reagieren kann. Mir kommt das wie eine gigantische Ablenkungsmaschine vor. Wir stecken alle in diesen Debatten fest, die in der realen Welt zu gar nichts führen, eher zu schlechten Ergebnissen – nämlich Aufgeregtheit, Überinformation. Auch diese ganzen Tendenzen von Polarisierung der Gesellschaft – das kommt ja alles von dem Stress, der die ganze Zeit auf uns einprasselt. Und wir arbeiten nicht an den Dingen, die wirklich klar zutage liegen: Z.B. auch in unseren Ländern ein immer grösser werdender Spalt zwischen Arm und Reich, das Verschwinden der Mittelschicht, dass ganze Bevölkerungsgruppen sozusagen gerade den sozialen Absturz erleben. Da sind wir immer am Diskutieren auf Social Media. Es kommt mir wirklich manchmal vor wie Opium.
Exzess der Aggression is jetzt vielleicht auch etwas drüber und verharmlost so auch echte körperliche Aggression. Ich würde empfehlen auch hier etwas abzurüsten in den sprachlichen Mitteln.
Das abwerten der privaten Meinungen gegenüber der intellektuellen Elite, ist jetzt aber auch keine Lösung. Natürlich sind wir nicht dafür geschaffen die Meinungen von 8 Milliarden Menschen zu verarbeiten. Unser Hirn ist grundsätzlich nicht für diese Anzahl Mitmenschen ausgelegt. Aber unser Hirn interessiert sich für unsere Mitmenschen. Wie war das? 70% am Tag denken wir an andere. Wir sind Teil eines sozialen Gefüges. Das Kennen anderer Meinungen ist wichtig, Genau wie auch eine eigene zu vertreten, um in der sozialem Hierarchie den Platz zu finden. Das ist auch Überlebenswichtig und kein Opium. Hat wieder eher was von wichtig im Sinne der Evolution zu tun. Probleme der Mittelschicht kennt die Evolution nicht. Sozialer Absturz is vielleicht auch noch mal etwas drüber. So sprachlich. Aber dennoch ja, wir könnte die Zeit, die an in unnötige Online-Debatten investiert was sinnvolleres anfangen. Aber es ist eben auch gefühlte Selbstwirksamkeit. Auch wenns Illusion ist. Finds nur bedingt hilfreich, das den Menschen vorzuwerfen. Man müsste sie halt aufklären, wie wir Menschen ticken und das es eben eine Illison ist. Egal wie wütend und aggressiv man wird.
Mich interessiert, was es mit den westlichen Gesellschaften macht. Und da, glaube ich, kann man inzwischen sagen – ohne als wahnsinnig erzreaktionär oder kulturpessimistisch zu gelten, dass die Auswirkungen, die Resultate des Dauergesprächs verheerend sind.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Inwieweit verheerend? Weil sie uns abhalten von Problemlösungen? Warum kommt eigentlich nie jemand auf die Idee, die Wissenschaften dazu zu befragen. Warum Menschen handeln wie sie handeln. Wovon wir getriggert werden. Was unsbelohnt. Was uns glücklich macht. Dass das mit Vernunft halt Illusion ist. Dass man sich selbst dauernd hinterfragen müsste. Und so weiter. Um zu verstehen.
Man gestaltet keine Welt nach Formeln. Menschen sind keine Modelliermasse, die spurt wenn man sie lang genug knetet. Man hat mich nie verstanden. Weil diese Wahrheiten nicht ins Konzept passen. Der Herren Professoren. Der Aktivisten. Der Weltverbesserer. Der Elite. Der Klassenkämpfer.
Während man in Machttheorien festhängt, nutzen die Bürger wieder ihre Macht. Weil verschandelt de Landschaft und wir haben schon genau getan, sollen mal die anderen. Wer die Bürger vergisst, macht die Rechnung ohne den Wirt.
Es ist sinnfrei es weiter zu probieren. Egal wie sehr ich pienze.
Jetzt ein kleiner Einspieler zum Schmunzeln. Der Norbert. Und ich bleibe dabei, ein Bolz auf Twitter reicht.
Es ist auch eine Frage des Umgangs mit diesem Wahnsinn im Internet. Ich selbst habe damit keine Probleme und ich glaube, viele Menschen haben überhaupt keine Probleme, die sich von vornherein klar machen: 99,9 % dessen, was da veröffentlicht wird, ist Schrott. Aber dieses 0,1 % kann sehr, sehr wertvoll sein. Und wir haben unglaubliche Möglichkeiten des Kontakts via Internet über die sozialen Medien mit Leuten, von denen man sehr viel lernen kann. Also ich selbst profitiere aussergewöhnlich stark nicht nur von den klassischen Internetmedien wie Wikipedia – das tut ja jeder heutzutage -, sondern auch von Twitter. Das ist das einzige soziale Medium, das ich selbst nutze. Was ich da an Tipps bekomme, an Informationen, an Links, an Möglichkeiten – einfach deshalb, weil ich mir auch meine Follower und Gefolgschaft auch … Sehen Sie da bei Ihnen eine Blasengefahr oder können Sie als Wissenschaftler bei sich beobachten, dass Sie Feedback bekommen von denen, die mit Ihnen übereinstimmen? Ja, das ist doch selbstverständlich. Blasenbildung oder Echokammern sind unvermeidlich, das gab es immer schon. Man hat immer schon die Zeitung gelesen, die die eigene Meinung bestärkt hat. Es gehört schon stoischer Mut oder stoische Härte dazu, um dann zu sagen: „Ich lese die Zeitung, die genau gegen meine eigene Meinung argumentiert“. Man hat sich immer schon – sei es am Stammtisch, sei es mit Freunden, mit Freundschaften, die man gebildet hat, sei es mit den Medien, mit denen man sich beschäftigt hat -, in solche Echokammern mehr oder minder eingeschlossen. Aber es war nie leichter, einen Horizont zu öffnen. Also nie war es leichter, in Kontakt zu kommen mit anderen. Und wenn jemand Ihnen widerspricht auf eine höfliche Weise oder auf eine witzige Weise, was vielleicht noch besser wäre, kann man, wenn man intelligent genug und vielleicht auch reif genug ist, das als einen Anreiz begreifen, einmal über den eigenen Horizont hinauszudenken.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Aber so ganz unrecht hat er nicht. Obwohl auch gerade für ihn Twitter ein Markt ist, auf dem er gut Klavier spielt.
Und was wäre denn zu tun? Ja, was zu tun wäre, ist eine ganz grosse Frage. Aber es gibt natürlich einige Dinge, die ganz klar zutage treten, wenn man sich z.B. den Monopolismus der grossen amerikanischen Player ansieht: dass ein Grossteil der Anzeigen, die auf Google, Amazon und Facebook generiert werden – also auf den ganzen Meta-Konzern entfällt. Dass das, was als grosses Freiheitsversprechen damals begonnen hat, jetzt einfach durchkapitalisiert ist und wir auch softwaremässig ausgeliefert sind – in einer Weise, wie die Menschheit auch noch nie einem Kartell ausgeliefert war. D.h., diese Medien- und Kartellmacht muss zerschlagen werden. Es müssen natürlich Verhaltensnormen eingeführt werden.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Ich leide, ich leide hart. Zu viel SPD inhaliert. Wenn Saskia ihr eigenes Social Media erfunden hat und Zuckerberg und Co zerschlagen sind, wir die Welt wieder gut. Bestimmt. Wenn du als Linker keine Lösung hast, sage einfach Kapitalismus. Diese Digital und Gesellschaftskompetenz ist faszinierend. Bringt mich übrigens zum Punkt, dass progressive Kräfte sich vielleicht im Loslassen üben sollten. Dem Loslassen an alten Theorien vergangener Zeiten, die nicht mehr in die moderne Welt passen.
Und das Wort „problematisch“ ist immer so ein Geraune. Ja, dieses Wort ist das problematischste unserer Gegenwart. Denn früher habe ich gesagt: „Seine Meinung gefällt mir nicht.“ Oder: „Ich habe eine andere Meinung.“ Aber jetzt sagt man: „Der hat problematische Ansichten.“ Und was bedeutet das im Subtext? Es bedeutet, seine Meinungen sollen nicht gehört werden, weil sie vielleicht gefährlich sind. Und das ist gefährlich und problematisch. Genau diese Inflation des Begriffs „problematisch“. Ich will den nicht mehr hören, das sage ich auch meinen Freunden. Wer mir sagt, irgendjemand oder ein Essay sei problematisch, sage ich: „Sag mir, was dir nicht gefällt, aber sag nicht problematisch.“ Das „problematisch“ macht mich wirklich irre.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Ich glaube Eva hat grade Puls.
Zu dem „problematisch“ könnte man sich schön breit auslassen. Am ende gehts darum, den „Rechten“ auch den sprachlichen/ gedanklichen Raum zu überlassen. Reinheit zu fordern. Reinheit mit den richtigen Gedanken, der richtigen Moral. Dem Wissen wir man die Welt zu gestalten hat. Wie die fühlen und denken, für die man sich einsetzt.
Ich hasse diese Momente. Weil ja, I feel, I feel. Hart.
Genau das, was er sagt. AM ende bleibt das Gefühl instrumentalisiert zu werden. Nicht ein normales Leben wie alle andere auch zu führen, sondern speziell sein zu müssen. Nein kein Häuschen mit Garten und spießigem Leben. Nein du musst bunt und sichtbar sein. Und sprachlich auf die aufmerksam machen.
Manchmal hab ich das Gefühl, man muss dem Ideal Hella von Sinnen und Boy George entsprechen. Blaue Fingernägel tragen, Highheels, nackt auf Paraden rumhüpfen und total Stolz auf seine Hormone sein. Sich als Person reduzieren auf seine Sexualität. Wer wünscht sich das nicht?
Sie wollen eine freiere, gerechtere Welt, aber sich schaffen mehr Fesseln als vorher. Am Ende schafft es immer wieder neue Fesseln. Ein neues Korsett. Egal wie man den Fortschritt auch tauft. Weil es immer Regeln sind. Dinge die man für die einzige Wahrheit erklärt. Man hat wie folgt zu sein. Weil is so. Und das wird so lange so bleiben, bis man versteht, wie wir Menschen ticken. Dass Kategorisieren, Einteilen in Gruppen, Werten von Verhalten und so weiter zu uns Menschen gehört. Und das die, die die Welt verbessern wollen, es nicht weniger tun. Sie legen neue Verhaltensweisen fest. Neue Regeln. Fordern Verhalten/ Wahrnehmung/ Gefühle/ Haltung ein. Auch nichts anderes als Kirche und Staat.
Das darf man auch nicht immer alles in einen Topf werfen. Aber ich glaube, man sieht an dieser Debatte schon, so, wie wir sie gerade führen, was es heute für einen Purifizierungsfuror gibt. Alles muss sauber sein von allem. Der öffentliche Raum, die Kunstwerke – niemand darf von irgendetwas beleidigt werden. Alte Kinderbücher müssen verändert werden, weil sich unsere Sprache verändert hat. Die Sprache hat sich immer verändert. Die Art, wie wir Dinge sehen als Menschen, hat sich immer verändert. Es gibt historische Entwicklungen, und wir haben den Wunsch, alles auszubrennen, was uns jetzt nicht mehr passt, auch wenn es früher gewesen ist. Ich glaube, das ist eine sehr ungesunde Haltung.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Schließe mich an.
Ja, aber Sie sagen gerade das Zauberwort: Veränderung. Jeden Tag, den wir leben und noch nicht dement werden, lernen wir was dazu. Und wir lernen auch, etwas auszuhalten oder zu ertragen oder auch etwas auszublenden. Ich bin, wie ich am Anfang sagte, eine grosse Anhängerin dessen, viele Dinge auszublenden und uns aufs Wesentliche zu konzentrieren. Und das Wesentliche ist für jeden Menschen etwas anderes. Wenn sich Ihre Lektüre verändert hat, dann haben Sie etwas gelernt.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Hat sie nen Punkt.
Dann haben Sie gelernt, dass Sie etwas neu bewerten. Aber darum geht es doch: Es gibt doch keine endgültige Bewertung, die ab jetzt für uns alle gilt. Und es würde auch heissen, es gibt gewisse Gedanken von Heidegger, die noch genauso gültig und auch richtig sind, und zitiert werden können usw. Und wir sollten es weiter lesen, auch um zu verstehen, wie sich das ganze braune Gedankengut verwandelt hat. Es scheint mir auch wichtig, die Denklinien weiter nachzuvollziehen, um daraus zu lernen. Die Bewegung heute ist eine des rückwirkenden Verbietens. Sie haben die „Schwarzen Hefte“ gelesen, und Ihre Heidegger-Empfindung und -Lektüre hat sich verändert. Gut. Aber der heutige Movens ist ja immer: „Wir haben etwas gefunden – etwas Problematisches. Also weg damit!“ „Verbieten, aus dem Druck nehmen, in den Giftschrank stellen.“ Das ist das Problem. Die Dinge müssen verfügbar bleiben für die Menschen, die sie verfügbar brauchen.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Dieses Verbieten ist glaube nur ein Ausdruck der eigenen Ideen- und Hilflosigkeit. Es ist einfach. Aus den Augen aus dem Sinn. Und genauso einfach ist es, Klimawandel und AfD einfach wegdemonstrieren zu wollen.
Jedes Forschungsinstitut oder jeder bekannte Forscher, Wissenschaftler, Historiker hat schon einmal, seit es soziale Medien gibt, irgendwo dieses Etikett „problematisch“ angeheftet bekommen. D.h., es ist ganz leicht geworden, jeden zu delegitimieren. Wir haben großartige Experten, gerade bei der Holocaust- und Antisemitismusforschung in Deutschland, die auf diese Weise „aber die haben da mal das und jenes“ – d.h., Autoritäten durch die Wirkweise der sozialen Medien erodieren. Und neue können nicht nachwachsen, da ja jeder jederzeit so einen Vorwurf bekommen kann. Man muss sich klar machen, was das für uns als Gesellschaft bedeutet.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Wobei da schon relativ viel dazu gehört, so ganz aus der öffentlichen Wahrnehmung gedrängt zu werden. Aber glaube, wir leben in Zeiten, in denen jedes Wort auf die Geldwaage gelegt wird. In denen es immer jemanden gibt, der nach dem Haar in der Suppe sucht, um dann eine Strick draus zu drehen. Oder das Haar zu spalten.
Und in Zeiten von Folget der Wissenschaft ist das wie mit den Werten. Wenn etwas dein Leben bestimmen soll, dann wird das genau unter die Lupe genommen.
Und das ist einer der Gedanken, die mich im Moment auch umtreiben: dass die digitalen Medien dazu führen, dass man so gern mit der Masse schwimmt. Das Lemmingverhalten wird ja dadurch sehr gefördert, und es ist schwierig, sich gegen die eigenen Leute zu wenden. Aber daraus ist immer die neue Idee entstanden, in der ganzen Geschichte der intellektuellen Gedanken. Man muss auch mal das brechen, was die eigenen … Oder zumindest hinterfragen.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Emm nö. Wir Menschen sind und waren immer Herdentiere. Es zeigt uns nur unser Verhalten in extremer Form auf. Und wir können alle zugucken.
Aber ja, Veränderung gibt es nur, wen Kritik aus der eigenen Gruppe kommt. Wenn von innen ein Umdenken gefordert wird. Das passiert von außen. Aber auch das ist eben kein Wissen was wir in der Schule lernen. Also glaubt man der Kampf mit dem Messer zwischen der Tastatur ändert die anderen. Und sorgt für den Sieg der eigenen Mannschaft.
Die gute alte Sozialpolitik ist das, was unter die Räder gerät, weil wir die ganze Zeit auf Facebook oder Twitter diskutieren. Und was auch passiert – das fand ich wahnsinnig interessant: Es blendet die dauernden Widersprüchlichkeiten aus, denn alles ist voller Widersprüche. Man sagt uns: „Interessiere dich für Multikulturalismus, aber bloss keine kulturelle Aneignung.“ „Ergreife Partei, aber lass die Betroffenen zuerst zu Wort kommen.“ Und in diesen Zwischenräumen müssen wir uns verorten, was unfassbar schwierig ist. Und lauter Fettnäpfchen sind da.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Seile These, dass Sozialpolitik an Twitter und Facebook scheitert. Gut die Eva is auch ne „alte Sozin“ und da würde ich aber unterstellen, dass sie hier die SPD etwas zu sehr aus der eigenen Verantwortung nimmt. Gut die SPD hat sozial Media ja auch für die Mutter allen Übels erklärt. Aber das sollte sie nicht daran hindern, ihre alten Wählerschichten wiederzuentdecken. Jenseits der Identitätspolitik. In die die SPD auch zu lange abgeglitten war. Und das Resultat kennen wir. Der Arbeiter von heute wählt blau und nicht mehr rot. Wer sich nur noch um Minderheiten kümmert, und das auf eine Art die diese nicht wollen, verliert die Masse und auch die Minderheit.
Und wir hätten da auch noch so nen Klimawandel zu lösen. Und überhaupt. Vielleicht sollte man wirklich auch mal loslassen. Alte Konzepte loslassen. Wir können uns nicht dauernd, über Kategorien, Schubladen beklagen, in die man gesteckt wird. Und dann am Klassenkampf festhalten, der nichts anderes ist als das Manifestieren von Schubladen. Ja vielleicht sollten Linke auch mal Marx loslassen.
Ich glaube, darüber könnten Sie eine ganze Sendung machen, was eigentlich die Linke heute noch ist. Im Moment habe ich das Gefühl, die Linke ist das, was jeder kritisiert. Jeder hat was gegen die Linken, v.a. auch die alten Linken. Eva Illouz schreibt auch gegen die Linken, wenn sie gegen Judith Butler schreibt. Und Judith Butler schreibt gegen die Linken. Ich bin inzwischen überfragt, was die Linke eigentlich ist, ausser sozusagen der Teufel, den jeder an die Wand malt. Gleichzeitig kann man mit der Philosophin Susan Neiman genau sagen, was die Linken sind. Die Linken sind die – historisch, und sollten es bis heute sein -, die sich für die Unterprivilegierten stark machen und an der Verbesserung der Lebensrealität arbeiten. Die erreichen wir nicht, wenn wir uns in den sozialen Medien schlagen.
Eva Menasse über Meinungsfreiheit & Bekenntniszwang
Sondern? Was genau muss man tun?
Bin dann mal kurz bei der Sofia gelandent. Ich bewundere ja Matzes Neugier und Ruhe. Für mich is das schon hart zuzuhören, auch wenn sei das Gegenteil von Renate Künast und Alice Schwarzer ist. Wage die steile Themse, dass sich die meisten Elstern brave Kinder wünschen. Ja auch Jungs nicht nur Mädchen. Aber das nur mal so am Rande. Feminismus an sich is ja nix für mich. Und zu viel weibliches Hirn schon gar nicht. Wobei ich es auch immer spannend finde, wie sehr mir manches wie aus einem anderen Film/ Buch vorkommt. Zum Beispiel weil einem solche Extreme wie „weibliche Freundschaften müssen tiefe Verschmelzungen sein und man muss total gleich sein“ einem noch nie über den Weg gelaufen sind. Is das toxische Weiblichkeit? Egal … Und sie hat hier und da schon Punkte was ihre Kritik am Feminismus betrifft.
Wo sie mich nachdenklich gemacht hat, war der Punkt mit der weiblichen Solidarität. Gemeinsame Feinde verbinden. Also Männer sind doof, böse, toxisch. Man muss auf der richtigen Seite stehen. Aber man ist ist nicht empathisch. Man glaubt zu wissen, aber man fühlt nicht. Man reagiert mechanisch gegen den gemeinsamen Feind. Man ist Bestandteil einer Gruppe. Die gegen eine andere kämpft. Aufgrund körperlicher Merkmale. Nicht weil man sich dort geborgen und verstanden fühlt. Es geht nicht um Vertrauen.
„Was denkt Jan Böhmernann, wenn wich mir nen Nasenpiercing mache“ find ich schon hart. Aber ihn dann auch noch als intellektuelle Instanz zu bewerten, dessen Meinung total wichtig ist, ist zu viel für mich. Da traue ich mich nicht mal zu weinen.
Aber ihr Ziel finde ich spannend. Eine Welt voller entspannter Männer und entspannter Frauen. Ohne Kampf und Krampf. Ja das wäre eine schöne Welt. Wobei ich die steile These wage, dass die Evolution wollte, dass zwischen Männer und Frauen Spannung herrscht. Zumindest punktuell.
Nun vielleicht hat Eva recht. Was helfen all diese Kämpfe und all das Wissen über all die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten des Lebens. Wir verzetteln uns in Debatten, drehen uns im Kreis. Erschaudern täglich. Ignorieren gekonnt unsere Natur. All das was unser Verhalten triggert. Halten uns für super schlau. Und schauen dennoch jeden Tag in den Abgrund.
Wenn man den off Schalter drückt. Dann muss man auch nicht mehr leiden. Dann kann man genießen. Da draußen kann ich frei sein. Da draußen kann ich ich sein.
PS: Auch die 200 jährige Buche entblättert sich langsam.
Here I go off to sea again
The sunshine fills my hair
And dreams hang in the air
Gulls in the sky and in my blue eyes
You know it feels unfair
There is magic everywhereLook at me standing
Here on my own again
Up straight in the sunshineNo need to run and hide
It’s a wonderful wonderful life
No need to laugh or cry
It’s a wonderful wonderful lifeThe sun in your eyes
The heat is in your hair
They seem to hate you because you’re there
And I need a friend
Oh, I need a friend to make me happy
Not stand here on my ownLook at me standing
Here on my own again
Up straight in the sunshineNo need to run and hide
It’s a wonderful wonderful life
No need to laugh or cry
It’s a wonderful wonderful lifeI need a friend
Oh, I need a friend to make me happy
And not so aloneLook at me here
Here on my own again
Up straight in the sunshineNo need to run and hide
It’s a wonderful wonderful life
No need to laugh or cry
It’s a wonderful wonderful life
1 Gedanke zu „Sunny April Afternoon“