Wie viel kann und muss eine Gesellschaft ausdiskutieren?

Die gespaltene Gesellschaft. Oder die polarisierte Gesellschaft. Ist sie anders als früher? Warum ist der Diskurs so anders. Angeblich. Oder sehen wir jetzt nur das was früher im Verborgenen war? Oder haben wir gar einfach nur andere Themen als früher?

Ich frag mich jetzt seit … hmm müssen jetzt 1,5 Jahre sein … wie dieses Ausdiskutieren von gesellschaftlichen Themen in einer pluralen Gesellschaft erfolgen soll. Damals lud unser Bundespräsident die geistige Elite in sein Schloss ein, um über die Zukunft der Demokratie zu diskutieren. In Zeiten von Corona und Klimawandel. Und er endete mit den Worten, dass wir das als Gesellschaft ausdiskutieren sollen. Demokratisch. Die Lösungen für die große Krisen. Aber er sagte nicht, wie das aussehen solle. Und so kommen wir nicht vorwärts und drehen uns im Kreis und den unterschiedlichen Sichten auf die Welt, auf Gefahren und Leben. Und 180 Bias.

Das interessante oder gar irritierenden im Moment ist ja, wie die Lager sich bei verschiedenen Themen komplett neu bilden. Gerade der Ukraine-Krieg hat „Allianzen“ erschaffen, die richtig schräg waren. Und auch „Meinungen“, die mir bis heute schleierhaft sind. Wenn Sozen Solidarität plötzlich an der dt. Grenzen enden lassen. Wenn dt. Arbeitsplätze wichtiger sind. Und man dann auch plötzlich die Arbeitgeber Ökonomen geil findet. Oder wenn Grüne plötzlich das Waffenarsenal auswendig aufsagen können und wieder Kohle vorbuddeln. Oder ich ausnahmsweise Luisa oder Igor Recht geben muss.

Und angebliche Ablenkungsmanöver vom Bundespräsidenten die Lager wieder neu durchmischen. Sprich die Dienstpflicht, die er vorgeschlagen hat. So ne Art unfreiwilliges soziales oder ökologisches Jahr. Und schon sind die sonst so sozialen progressiven Gerechtigkeitsfanatiker total dagegen und man schäumt vor Wut. Meiner einer hält sich da ja raus, weil ich nicht über die Köpfe von anderen entscheiden will. Hätte ich damals auch nicht toll gefunden. Wahrscheinlich fehlt mir das Gesellschaftsgestaltungsgen. Jedenfalls gibt es auch da keine festen Lager gemäß Parteien oder alter sondern man finden sich zusammen je nach persönlicher Meinung. Und natürlich diskutiert man diesen eine Lösungsvorschlag und nicht das Problem, dass man damit lösen will. wobei man sich das auch irgendwie erstmal erraten muss.

Man denke da auch an die Corona-Querdenker. Diese bunt gewürfelte Haufen. Wo Hippies und Nazis unter der Regenbogenfahne tanzend ins Mikro brüllen oder wahlweise singen. Wenn man zusammenfindet, weil man dem System nicht traut. Und man es ganz normal findet, mit wem man das doof findet. Mal ganz zu schweigen von den Bauernfängern mit Eurozeichen in den Augen. Denen es egal ist, dass das ganze auch ein Spiel mit dem Leben ist/ war. Dem eigenen und dem der anderen. Und ganz ganz viele, die einfach nur folgen. Weil die Evolution das so wollte.

Wie viel kann und muss eine Gesellschaft ausdiskutieren? Wo ist da das Ende? Kommt nicht immer noch einer daher und hat noch mal einen bisher noch nicht ausgiebig erläuterten Standpunkt im Gepäck oder irgendeine wichtige Systemkritik? Oder noch besser, wer sich auf social media an solchen Debatten beteiligt, merkt irgendwann, dass man immer und immer wieder die gleichen Diskussionen führt. Wie sehr wie alle gefangen sind in Vorurteilen, Annahmen über das Gegenüber und dem Wissen, was richtig ist. Es wird nicht mal zugehört, sondern frei interpretiert. Es wird ein bestimmtes Schema angewandt in das deine Frage/ Aussage zu passen scheint. Du willst über die Kosten / Finanzierung von Klimaschutz reden? Dann bist du automatische gegen Klimaschutz, da allein die Frage schon bedeutet, dass du davon ausgehst, dass es zu teuer ist und man es deshalb gar nicht machen sollte. Dass es dir darum gehen könnte, wie man das ganze finanziell gestemmt bekommt und was dafür runterfällt oder was auch immer für kreative Lösungen möglich sind, seht nicht mal ansatzweise zur Debatte. Man hört was man hören will. Und ist in seinem Weltbild und seinem Denken über andre gefangen. Und darum dreht sich das immer wieder im Kreis. Weil immer wieder der nächste kommt dem du wieder aufs Neue erklären musst, dass er deine Frage/ Aussage nicht richtig gelesen hat. Es ist so ermüdent. Ich mag nicht mehr. Ich mag auch nicht zum xten Mal erklären, warum ich die vor uns liegenden Veränderungen nicht mit dem Erkämpfen von Frauenrechten gleichsetzen würde. Und warum Aktivismus eben nicht die Lösung ist

Und dann habe ich gelernt von Wolfgang Merkel, dass Debatten nicht plural genug sein können. Man muss da im Zweifel noch offene Briefe schreiben. Um sich dann in die Opferrolle zu begeben, wenn das Internet explodiert. Um dann den Kritiker und freidrehenden Mitmenschen Morlismus vorzuwerfen und sie ebenfalls moralisch zu verurteilen. Es hat was abstruses.

Und wieder frage ich mich, wie eine plurale Gesellschaft im Jahre 2022 ausdiskutieren soll. Früher hat das ausdiskutieren gesellschaftlicher Fragen innerhalb einer Elite stattgefunden. Die Teilhabe – um es mal neumodisch auszudrücken – des Normalo war auf Freundeskreis, Wirtshaus, Familie beschränkt. Heute kann jeder über das Netz mitreden. Und so auch Reichweite generieren. Über Aufreger etc. Offene Briefe auf Emma oder gar Internetpetitionen, die dann von Putin Trollen und AfD gepusht werden, wären im Sande verlaufen. Heute geht das Netz steil, alle Medien springen drauf an. Und dann darf jeder mal in ne Talkshow. Und irgendjemand kommt noch mal daher mit ner neuen Meinung, die man noch nicht diskutiert hat in der breiten Öffentlichkeit. Die Gedanken sind frei, die Gedanken sind kreativ. Und viele leben davon. Auch viele Anheizer aus dem progressiven Spektrum. Stößt man da auf offene Ohren, wenn man das anspricht? Nein sicher nicht, Zumindest nicht mitten in einer Twitterdiskussion. Wo diese Anheizer als Quellen für die richtige Meinung zitiert werden. Man würde sich ja selbst der Argumentationsgrundlage entziehen.

Apropos aufgeheizter Diskurs. Leise Zwischensätze, dass man mit einem freundlichen Ton und ins offene Gespräch kommen, mehr erreichen kann als mit „auf sie mit Gebrüll“ hört natürlich keiner. Dafür gehen andere Aussagen wieder viral. Die die sich gut zum Anheizen der Debatten/ Spaltung eignen. Die die das Gegenteil bewirken.

Und während wir unendlich diskutieren, bleiben die Probleme ungelöst oder wie im Fall der Ukraine sterben Menschen, die nicht sterben müssten. Oder wir verpassen Chancen, Dinge zu ändern, um uns bzw. der Welt den brennenden Arsch zu retten. Und wir diskutieren und diskutieren. Und viele diskutieren laut. Und Entscheider wissen vor lauter Lärm nicht mehr, wo vorn und hinten ist und verkriechen sich irgendwie in ihre Höhlen und machen nix. Nicht dass man noch abgestraft wird. Nicht das man Verantwortung tragen muss.

Einwurf am Rande: Wie hat Erklärbär Robert die Tage so schön gesagt, er vergesse jetzt alle Parteiprogramme und tut jetzt das was das Richtige für Deutschland ist. Ich hoffe er weiß das. Und nicht nur was heute das beste für seinen Popo ist. Naja immerhin hat er jetzt Begriffen, dass es Anreize zum Energiewissenschaftler auch in der Industrie braucht und man doch auf so Leute wie Andreas und Veronika hören sollte. Jetzt muss er nur noch das mit den Brennstäben erläutern. Ich bin gespannt.

Zurück zum Thema. Und weil sich irgendwie nix bewegt, schreit man lauter. Und dann schreien die Gegner noch lauter. Und irgendwie leben wir eh nur noch in einer unsäglichen Lautstärke. Es geht nicht um Lösungen. Es geht darum dagegen oder dafür zu sein. Um Klicks oder um Wähler. Und wie groß auch die Zustimmung im Volke zu einem Thema sein mag, es gibt immer die die dagegen sind. Und auch das sind Kunden/ Wähler. Befriedige ihre Wünsche, damit sie deine befriedigen. Es geht um Recht haben. Um Bestätigung. Um Macht. Um Sieg. Ob kleinem Twitterer, Politiker oder Journalisten.

Weder Frank-Walter, noch Wolfgang haben definiert, wie dieser Dialog in einer pluralen Gesellschaft aussehen sollen, um am Ende ein Ergebnis zu haben. Ein Dialog, der sich um Themen dreht, die tief in unser Leben oder unsere Werte eingreifen. Ob nun Corona, Klima oder Krieg. Dinge die uns alle betreffen und nicht nur Rechte einzelner erstreiten. In einer Welt in der jeder öffentlich mitreden kann. Und es daher ein lautes Stimmenwirrwarr ist. In der auch skrupellose Zeitgenossen auf Menschen warten, die sich wehren wollen. Die die Dinge selbst in die Hand nehmen. Ach da war was. Ich lass das mal hier

Ich weiß es immer noch nicht, wie das gehen soll mit dem Dialog. Ein Bürgerrat trägt das nicht. Das funktioniert von der Akzeptanz, wenn man lang genug über ein Thema redet wie Abtreibung oder Homoehe. Ein Jahr war das doch in Irland glaube. Für jeweils ein Thema.

Scharfe Ansagen und Kampf und Öl ins Feuer gießen, ändert auch nichts. Genauso wenig wie kreative Wortschöpfungen, das Verschweigen von Begriffen, Klassenkämpfe oder Geschichten. Wir leben doch eh in einer Zeit wo uns an jeder Straßenende einer Geschichten erzählt, woran wir glauben sollen. Wo an jeder Ecke irgendwer für irgendwas kämpft. Und viele prgressive Influencer leben auch davon. Von dem Öl im Feuer. Ob sie jetzt Mario, Sascha, Katja oder Natascha heißen. Sogar Wissenschaftler. Wem wurden noch keine 100.000 voll gemacht? In einer Zeit in der lauter Influencer irgendwas fuencen. Vorn in die Kamera lachen und hinten weinen. In einer Welt voller Schein und wenig Echtheit. Geschweige denn Ehrlichkeit.

Diese Lager die sich da pro Thema immer wieder neu zusammenfinden, zeigen eins. Man kann bei einem Thema zusammenfinden. Kommt ein andere hinzu, trennt man sich wieder. Alles hängt mit allem zusammen. Und alles macht so alles kaputt. Gemeinsamkeiten schaffen Nähe. Schaffen Gruppengefühl. Aber wir leben in Zeiten in denen wir uns alle 5 Minuten neue Gruppen suchen. Alles ist nur noch lose und der Moment der Moment. Wir leben in Wegwerfgesellschaften. Nicht nur materiellen.

Kinder lernen, dass sie allein wichtig sind. Dass sie sein sollen, wie sie wollen/ wie sie sind. Wir erziehen uns Egoisten. Die das tun, was sie wollen. Mit dem Kopf durch die Wand. Die kein Gespür für das Wir entwickeln. Die nicht versuchen andere Menschen und ihre Bedürfnisse zu sehen/ zu spüren, sie zu verstehen. Multiperspektivität. Nicht nur die eigene Brille. Der Egoismus unserer Zeit liegt nicht nur am Neoliberalismus. Wir sind alle kleine Egoisten. Und wir brauchen uns nicht mehr. Wir sind unabhängig. Und ich bin wichtig, Und ich gestalte mir die Welt so wie ich will. Ich bin nicht hier, um dir zu gefallen. Und gleichzeitig haltlos im Ich ohne zu wissen, warum man geliebt oder nicht geliebt wird. Wie lernt man man selbst sein zu können in einer Gruppe in der man das andere akzeptieren und vor allem respektieren kann. In einer Welt ohne Werte. Wo Religionen wegbrechen als gemeinsames Wir. Wo die Welt nur noch Welt ist und keine Nation.

Ich habe keine Ahnung wie das mit dem Dialog funktionieren soll. Und ich hab vor allem auch keine Lust mehr. Es ist so ermüdent. … ach und der Wolfgang hatte da irgendwie auch keine Antwort. Er ist damit beschäftigt seine Meinung zu verteidigen und die Moralisierung zu verurteilen. Moralpsychologie hat er glaube immer noch nicht gelesen. Die Idee der geschützten Diskursräume ist auch nur wieder ein zurück zum Elfenbeinturm. In der die Elite unter sich ausdiskutiert und über andere entscheidet. Der freidrehende Mob findet sich dann halt später wieder auf der Straße.

Weißt du Fritze, letztes Jahr um diese Zeit habe ich geträumt, ich laufe eine Straße entlang. Ich laufe hinterher. Und da ist eine Schule/ Uni. Aber ich biege nicht mit ab um hineinzugehen. Ich laufen weiter die Straße entlang.

Und jetzt habe ich geträumt, dass ich weglaufen. Den Berg hinauflaufe, mit aller Kraft. Aber etwas verfolgt mich und wirft mich zu Boden.

You don’t want to hurt me,
But see how deep the bullet lies.
Unaware I’m tearing you asunder.
Ooh, there is thunder in our hearts.

Is there so much hate for the ones we love?
Tell me, we both matter, don’t we?
You, you and me.
It’s you and me won’t be unhappy.

If I only could,
I’d make a deal with God,
And I’d get him to swap our places,
Be running up that road,
Be running up that hill,
Be running up that building,
If I only could, oh

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