Urlaub in Estland – Tag 5 Pärnu

Friedhofsbesichtigung und Frühstück für estnische Vampire

Blutspende
Blutspende

Heute Vormittag steht die Suche nach den Gräbern meiner Urgroßeltern auf dem Programm. Wir durchforsten also den alten Friedhof  in Pärnu, der nur 10 Minuten von unserem Hotel entert liegt. Die Suche war leider erfolglos. Was eigentlich auch nicht verwunderlich ist, da sich ja in den letzten 80 Jahren keiner gekümmert hat. Dennoch ist es sehr interessant. Es gibt viele alte Gräber. Auch welche die scheinbar schon seit Jahren nicht mehr betreut werden. Der ganze Friedhof ist eine Mischung aus alten teilweise verwachsenen Gräbern und gut gepflegten Grabstätten – auch alte dt. Familiengrabstätten. Ich lese viele deutsche Namen. Lebensdaten aus den 18. Jahrhundert. Teilweise schöne alte Grabstätten. Mit großen Kreuzen aus Stein.

Mücke
Mücke

Ich hätte noch stundenlang durch die Gräber streifen könne, wenn da nicht diese elendigen estnischen Vampire wären. Schlappe 8 Stiche zähle ich an der rechten Hand. Und das obwohl ich gleich zu Beginn meine Ärmel bis über die Hände gezogen habe. Noch mal 4 auf der Brust und sogar eine hat sich durch den Schlitz meiner Hose geschlichen. Die Mücken sind ungefähr doppelt so groß wie die deutschen. Und deshalb glücklicherweise ziemlich lahm, aber das bin ich wohl auch. Wobei ich sagen muss, dass man es ja auch erst merkt, wenn sie stechen und somit zu spät. Zerstochen ziehen wir erfolglos wieder ab.

Familienfotos und Abschied

Wir besuchen dann noch den neuen Friedhof und erweisen der Schwester meiner Oma die letzte Ehre. Abschließend verabschieden wir uns von unserer jüngeren Verwandtschaft, die wieder zurück nach Tallinn bzw. Finnland muss. Zur Erinnerung machen wir noch ein paar Fotos. Dem Rest geben wir für den Sonntag Nachmittag frei – man bekommt ja schon ein schlechtes gewissen, wenn man so liebevoll umsorgt wird. Wir verabreden uns dann noch einmal für den Dienstag Abend – unseren letzten Tag in Pärnu.

Pärnumuseum und moderne Kunst

Pärnu Museum
Pärnu Museum

Für den Nachmittag nehmen wir uns vor, dass neu eröffnete Pärnumuseum zu besuchen. Hier kann 11 Jahrhunderte Geschichte bewundern. Alte Gegenstände aus der Hansezeit, Informationen über die Deportation von Einwohnern nach Sibiriern und so weiter – auch der Vater meiner Oma war dabei. Der Nachbau eines Deportationszuges macht sogar Rattergeräusche, was meine Mutter zuerst für ein Gewitter hält.  Die Gegenstände aus der Sowjetzeit kommen uns irgendwie bekannt vor. Warum bloß? 😀 Witzig ist die Kunstausstellung, die wir „mit kaufen“. Im dritten Stock gibt es Kunst aus Draht. Da wir allein sind, können wir uns den Spaß erlauben und spielen eine Runde „Rate mal was das ist“. Unabhängig davon sind wir leider Kunstbanausen und können nicht so viel damit anfangen. Aber dennoch sehr interessant. Und Merke: Moderne Kunst ist überall gleich. Man muss sie nicht verstehen. Naja wenn ich gewußt hätte, was uns erwartet, hätte ich dieses Zusatzerlebnis nicht mitgebucht. Die nette Dame am Schalter war leider nicht in der Lage auf Englisch zu erklären, was Full House Besichtigung bedeutet im Gegensatz zur normalen Besichtigung. Spätestens als der Wachmann, der uns durchs Drehkreuz am Eingang durchschleuste, sagte: „Uiii Full House“ hätte ich stutzig werden müssen 😀 … ne war den Spaß wert und wir fördern mal die estnischen Künstler. Sind wahrscheinlich wie ihre dt. Kollegen arme Schlucker.

Deutsch-Holländischer Rummelplatz

dt. Karussell
dt. Karussell

Nachdem wir den Wasserski-Künstückchen am Ufer des Pärnu Flusses beobachtet haben, stehen wir direkt vor dem Volksfest/ Rummel, das/der gerade in Pärnu stattfindet. Erinnert mich irgendwie alles an deutsche Rummel. Zumindest so weit ich mich erinnern kann. War ja auch schon ewig nicht mehr. Gibt sogar Zuckerwatte. Und auf dem Stand steht sogar Zuckerwatter drauf. Und auf auch das Karussell ist ziemlich deutsch. Wie wir feststellen auch kein Wunder. Wir stolpern nämlich über einige deutsche Autos und Holländische Wohnwagen 😀 Scheint ein Deutsch-Holländischer Rummel zu sein. Nein, wir fahren trotzdem nicht mit dem Riesenrad oder anderen Fahrgeschäften. Ne ne 🙂

Laubenessen

Zwecks Nahrungsaufnahme begeben wir uns in Nikolai Lehtla. Mal gucken was Nikolais  Gartenlaube so zu bieten hat. Wir entscheiden uns für Hühnchen auf Nikolai Art. Ich behaupte ja, das Hühnchen war im Senf-Käsemantel, aber so sicher bin ich mir nicht. Ist auch egal, Hauptsache es hat geschmeckt. Interessant fand ich die rote Beete. Würde es bei uns nie als Standardbeilage geben. Aber als Rote-Beete-Freund stört mich das nicht im Geringsten. Die Pommes waren auch ok, so dass man es alles in allem als Gutes Essen bezeichnen kann. Beide brav aufgegessen.

Ab 20 Uhr gab es dann Live-Musik vom Duo Catarsis. Musik aus den 70er, 80er, 90er. Schon interessant was aus einem so kleinen dünnen Mann für eine Stimme rauskommen kann. Leider war das ganze etwas sehr laut. Wenn man genau neben dem Lautsprecher sitzt. Inges Gesichtsausdruck erinnerte  jedenfalls sehr schnell an Angela Merkel bei der Neujahrsansprache und so haben wir dann relativ bald das Weite gesucht. War dann doch etwas ungemütlich. Und vielleicht auch mir etwas zu viel Synti und E-Gitarre. 😀

Biertester

Auf dem Weg zum Hotel gehen wir noch mal schnell beim örtlichen Alkoholshop vorbei und versuchen uns noch mal als Biertester. Interessant finde ich die Auswahl an Cyder. Ok, es gibt kein mit Brause verdünntes Bier mit Geschmack wie bei uns mittlerweile in rauen Mengen. Dafür gibt es dann wohl Unmengen an Cyder mit diversen Geschmacksrichtungen. Meine Mutter kriegt einen Cyder mit Cranberries und stellt fest, dass ihr das zu süß ist und dass pures Saku Bier besser schmeckt :-). Ich muss sagen, Cyder mit Traubengeschmack war nicht schlecht. Das war nicht so süß. Ich schliess mich aber meiner Mutter an und find normales Bier auch viel besser 😉

Merke: Balkon nix bei Mücken und Junikäfer

Zurück im Hotel, denke ich mir, dass ich doch als Entschädigung für den Lärm des Nachtklubs über mir, einen Balkon geschenkt bekommen habe. Ok, Balkon ist etwas übertrieben, aber immerhin 20 cm mit 2 Stühlen an der frischen Luft. Also schnapp ich mir den Laptop und will mich gemütlich niederlassen. Die Idee nimmt schnell ein jähes Ende, nachdem ich von Schwärmen von Junikäfern und so attackiert werde, die sich durch das Licht angezogen fühlen. Hinzukommen die 1000 Mücken und die Tatsache, dass sich das Mückenspray bei meiner Mutter im ersten Stock befindet. Schade eigentlich, da der Wifi Empfang dort am besten ist. Also bleibt mir nur das Bett 🙁

Urlaub in Estland – Tag 4 Pärnu

Private Stadtführung

Villa Ammende
Villa Ammende

Der Morgen beginnt mit Unmengen an Wasser, das sich aus dicken grauen Wolken auf Pärnu niederprasselt. Sintflutartige Regenfälle könnte man das nennen. Pünktlich aber so etwas von pünktlich hört es auf zu regnen, die Wolken reißen auf und die Sonnen bahnt sich ihren Weg. Es waren ja auch 30 Grad und Sonne angesagt. Somit beginnt unsere private Stadtführung – unsere Verwandtschaft  lässt es sich natürlich nicht nehmen uns persönlich rumzuführen – bei schönstem Wetter. Vorbei am Strand, durch diverse Parks geht es von historischem Häuschen zu historischen Häuschen.

Valligäär Park
Valligäär Park

Unglaublich wie viele Parks es hier gibt. Alles gut gepflegt. Ein richtig schöne Bade- und Kurort – seit Jahrhunderten. Durch das Tallinn-Tor im Valligäär-Park geht es in die Altstadt. Zwischendrin wird noch einmal beim Schmied vorbeigeschaut, bei dem man Schmiedekunst und Münzen erwerben kann. Ich lerne, dass so gut wie jedes Gebäude mal eine Post war :-). Wir machen eine kleine Pause und ich lerne , dass Mittagessen wohl keine Hauptmahlzeit in Estland ist. Naja mein Hunger hält sich auch in Grenzen und ich lechtse auch eher nach was flüssigem.  Stadtbesichtigung bei 30 Grad ist anstrengend.

Rüütli-Straße
Rüütli-Straße

Es gibt immerhin eine Einkaufsstraße in Pärnu. Also in der Altstadt. Witzig finde ich die Läden in denen man so Urlaubszeugs kaufen kann. Schmuck, Sonnenhüte und Tücher und so. Erinnert mich irgendwie an die Länden an den Stränden in Spanien, Italien oder Griechenland. So Krams, der gar nix mit Estland zu tun hat. Ansonsten gibt es aber auch ein paar nette kleine Läden mit echten estnischen Souvenirs. Ein paar Restaurants und einen Alkoholladen :-D. Und ab und an findet man auch Musiker. Mal spielt einer Gitarre mal einer Akkordion. Nett und gemütlich.

Unabhängigkeitsdenkmal
Unabhängigkeitsdenkmal

Am Ende der Rüütli-Straße auf dem Stadtplatz findet man neben Tausenden von Spatzen auch ein Denkmal, dass an die eintägige Unabhängigkeit Estlands 1918 erinnert. 1918 wurde in Pärnu die Unabhängigkeit von der Sowjetunion ausgerufen. Die Uanabhängigkeit hielt einen ganzen Tag, dann kamen die Deutschen die Sowjets ablösen. Nach Ende des ersten Weltkriegs wurden die Deutschen wieder durch die Sowjets abgelöst. Das eigentliche Gebäude von 1918 wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Später wurde dann das Denkmal errichtet. Das dahinter liegende Hotel verunstaltet das Erscheinungsbild allerdings sehr stark. Wenn mir die Kritik mal erlaubt ist.

Wurzeln

Suur Sepa - hier lebten wohl meine Urgroßeltern
Suur Sepa – hier lebten wohl meine Urgroßeltern

Und dann kommen wir zu einigen Gebäuden, die für Estland bzw. Pärnu keine Bedeutung haben. Für uns jedoch schon. Vorbei an der deutschen Technikerschule geht es zu ein paar Gebäude in der Suur Sepa – Schmiedestraße. Hier liegen angeblich unsere Wurzeln. Das Elternhaus meines Großvaters. Wir wissen zwar nicht genau, welches Haus oder welche Häuser, aber hier soll es gewesen sein. Ein paar nette kleine Holzhäuser. Noch erhalten und nicht platt gemacht. Wenn mich meine Recherchen nicht trügen, dann ist da jetzt ein Möbelpack-Unternehmen drin. Ist aber egal. Wir waren da. Da wo mein Großvater aufgewachsen ist. Über 80 Jahre nachdem mein Großvater Estland verlassen hat.

Alte Fotos gucken

Meine Oma mit meinem Onkel 1938
Meine Oma mit meinem Onkel 1938

Und wo wir gerade in Nostalgie versinken, geht es auch gleich noch mal zur Cousine meiner Mutter – Fotoalben durchwühlen. Alte Fotos gucken. Ich versteh leider nur die Hälfte und das ist noch großzügig gerechnet. Alles ziemlich russisch was die beiden älteren Damen da von sich geben. Zum Glück erkenne ich aber den ein oder anderen auf den Fotos. Und ab und an schreit meine Mutter: Silva, kannst du das abfotografieren? Und Klick. Neben alten Fotos, sehen wir auch die letzten Bilder der Schwester meiner Großmutter. Sie starb erst vor 2 Jahren im Alter von 99. Und war bis zu ihrem letzten Tag fit.

Mittagsschläfchen

Nikolai Lehtla
Nikolai Lehtla

Während meine Mutter bei der Hitze eine Pause braucht, geh ich noch mal in die Stadt. Ich schau mir noch mal die deutsche Technikerschule an und verwerfe den Plan, mich dort bewerben 😀 Dann gehe ich noch mal in die Surr Sepa und schau mir allein und in Ruhe noch mal die Häuschen an, in denen mein Großvater wohl aufgewachsen ist. Auf dem Rückweg durch die Rüütli-Straße finde ich dann noch ein interessantes Restaurant. Nikolai LEHTLA. Aha, estnische Biathleten verdienen sich wohl in der Gastronomie noch ein paar Euro dazu 😀 Spässle, aber ich beschließe, dass wir das Essen dort mal testen müssen. Rein aus Prinzip.

Burger-Restaurant mit Live-Muke

Burger mit Live-Muke
Burger mit Live-Muke

Am Abend gehen wir dann noch mal in die Innenstadt und versuchen unser Glück beim besten Italiener in Pärnu. Aber bei Stefani stehen sie Schlage. Hast du nicht gesehen. Ist wie zu Ostzeiten, wenn es Bananen gab. So gut kann keine Pizza sein 😀 Wir versuchen es dann noch mal beim Ableger am Strand, aber dort genau das gleiche. Ergo setzen wir uns wo anders rein und essen eine Kleinigkeit zum guten estnischen Bier, das sogar meiner meiner Mutter mundet. Nicht unweit von unserem Restaurant dudelt Live-Muke. Man soll es nicht glauben, aber die Spielen in einem Burger-Restaurant. Burger mit Live-Muke kenn ich sonst nur vom Irish Pub. Apropos Pub – der heißt auf Estnisch „Pubi“. Also ganz ehrlich, das klingt noch … Kommst du mit in den Pubi? 😛

 

Urlaub in Estland – Tag 3 Pärnu

Merke: In Estland fährt man Bus und nicht Bahn

Fahrschein nach Pärnu
Fahrschein nach Pärnu

Ein Blick auf den Fahrplan der Bahn verrät, dass es nur 2 Züge am Tag von Tallinn nach Pärnu gibt. Einen um 6:48 Uhr und einen im 17.29 Uhr. Aha. Nein, ich will nicht ohne Frühstück Zugfahren und dann 4 Stunden in Pärnu mit Gepäck rumlungern, bis wir ins Hotel können. Dann doch mal lieber Bussi Reisid. Fährt alle 30 Min ein Bus und man solls kaum glauben, der braucht nur 2 Stunden, während der Zug 3 Stunden benötigt. Unter Beachtung der Tatsache, dass es in Estland keine Autobahnen gibt und man max. 110 km/h auf Schnellstraßen fahren darf, eine beachtliche Leistung. Oder besser gesagt ein Armutszeugnis für die Bahn! Also ab mit dem Taxi zum Bissijaam. Die 4 Euro investieren wir doch gern anstelle mit dem Gepäck Bus-Tam-Hopping zu betreiben. Man will ja komfortabel reisen und nimmt den teuersten Bus für 8,40 Euro. Einen Sitzplatz kriegt man auch gleich zugewiesen und da wir ne halbe Stunde zu früh waren, waren wir wohl die ersten und sitzen glatt ganz vorn auf den Logenplätzen.

Merke: In Estland gibt es kaum Autos und kaum Kurven

Irgendwo zw. Tallinn und Pärnu
Irgendwo zw. Tallinn und Pärnu

Nachdem wir die Stadt Tallinn verlassen haben, geht es ab auf die E7. Kurzzeitig mal zweispurig, sonst immer nur eine Spur. Interessant sind die Radfahrer die auf dem schmalen Seitenstreifen den LKWs trotzen. Ich denk gerade nach, was in Deutschland passieren würde, wenn ein Radfahrer auf der Standspur der Autobahn fahren würde. Knappe 130 km geht es immer schnurstracks geradeaus. Kurven kann man an einer Hand abzählen. Und weit und breit kaum Autos. Rechts und links pure Natur. Wälder und Wiesen. Zwischendrin mal ein Rapsfeld oder ein Weizenfeld oder einen Pferdekoppel. Aber alles in allem relativ wenig landwirtschaftlich genutzte Felder. Und die Häuser, die man sieht kann man auch an einer Hand abzählen. Meine Mutter wundert sich, dass die paar Häuser die wir sehen meist verlassen aussehen. Aber mal ehrlich, wer will denn schon an einer Schnellstraße Mitten im Nirgendwo wohnen, wenn du so viel Platz hast und überall hinkannst. Wenn ich aufs Land will, geh ich nicht an einen Schnellstraße. Ich komme zu dem Schluss, dass hier sogar mir das Autofahren Spaß machen würde. Alles ruhig und gemächlich, teilweise einsam in Mitten einer herrlichen Natur. Neben uns sitzt eine Russin, die ein wenig nervt. Ich hätte auch behauptet, dass sie Wodka getankt hat. Da ihr angeblich beim Busfahren immer schlecht wird (so die Übersetzung meiner Mutter), muss sie unbedingt vorn sitzen und vertreibt somit eine nette Estin, die irgendwie nicht neben ihr sitzen will. Aber zum Glück ist noch viel Platz im Bus. So und nun das geilste. Wer nicht die Schönheit der Natur genießen will oder kein Nickerchen machen will, der kann im Internet surfen. Die paar Cent, die der Bus teurer ist als die anderen, rentieren sich nicht nur beim Bus selbst (großer neuer Reisebus), sondern lassen das Herz eines jeden Internetjunkies höher schlagen. Kostenloses WLAN!!! Ok kostenloses WLAN findest du an vielen öffentlich Orten, aber im Bus ist das schon sehr angenehm. Sollte man bei uns auch in Zügen einführen! Aber nein das geht ja bei uns schon aus Sicherheitsdingends nicht. Wie dem auch sei, ich und die estnische Jugend freuen uns drüber.

Strand Hotel

Blick vom Hotel aufs Meer
Blick vom Hotel aufs Meer

Nach knapp 2 Stunden hält der Bus das erste und einzige Mal und wir sind da. Wir sind zwar etwas früh, aber da nur ein Taxi weit und breit steht, warten wir lieber beim Hotel bis wir rein können. Besagte Russin läuft aber gerade in diesem Moment Richtung Taxi. Der Fahrer mag sie aber anscheinend nicht und ruft – woher auch immer – einen Kollegen herbei. Ich ahne schlimmes, aber als wir in seine Nähe kommen, hält er uns freundlich die Türe auf 🙂 Ab zum Strand Hotel. Wie der Name schon sagt, mehr oder weniger direkt am Strand. Wobei ich nicht weiß, wieso das Hotel STRAND heißt. Auf Estnisch ist Strand „Rand“. Und Deutsche gibt es weit und breit nicht. Naja vielleicht ist es ja finnisch. Wir sind umzingelt von Finnen – in allen Größen und Formen. Die machen hier wohl gern Badeurlaub weil es preiswerter ist als in der Heimat. Wobei ich die Hotelpreise nicht ohne finde. So 80 – 100 Euro nenne ich nicht gerade billig. Aber vielleicht geht es den Finnen ja um die Grundnahrungsmittel 😉 die billiger sind als in Finnland. Meine Mutter kriegt ein Zimmer im Erdgeschoss. Ich muss rauf in den vierten. Man sagt mir an der Rezeption, dass mein Zimmer in der Nähe des Nachtclubs ist und es wohl besser wäre, wenn ich das Zimmer nehme und nicht meine Mutter, da es etwas lauter werden kann. In ein paar Stunden weiß ich was sie gemeint hat 😀

Erstkontakt und Strandbesuch

Strand Pärnu
Strand Pärnu

Nachdem wir schnell mal die Klamotten wechseln und die Koffer auspacken, klingelt auch schon das Telefon. Ich hatte ja brav der unbekannten Verwandtschaft unsere Ankunft mitgeteilt. Und schon kommt meine – öhhh was ist sie denn??- also die Tochter der Cousine meiner Mutter (ich kenn mich da nicht so aus mit den Verwandtschaftsbezeichnungen) vorbei. Ich hatte irgendwo gelesen „Niemals einen Esten umarmen“. Stimmt! Brauch man auch nicht, die machen das von allein!! 😀 Immer diese Vorurteile. Nach der ersten Begrüßung zeigt sie uns den Strand und wir verabreden uns für den Abend, wo auf uns eine Begrüßungsparty wartet. Aufgrund der hohen Temperaturen (ca.. 28 Grad) verzichten wir jedoch auf einen Strandspaziergang und setzen uns dafür auf eine Bank in einem der unzähligen Parks – halb Pärnu ist ein Park – und bereiten uns seelisch und moralisch auf das große Familientreffen vor.

Begrüßungsparty

Am Abend treffen wir dann zu Hause bei unserer Verwandtschaft die Cousine meiner Mutter, ihre Tochter mit Ehemann und ihre zwei Töchter mit Anhang :-). Der Sohn der Cousine meiner Mutter schaut mit seinen beiden jüngsten auch vorbei. Es gibt estnsiche Spezialitäten wie Kilu (der kleine estnische Strömling) auf Schwarzbrot mit Schnittlauch und jede Menge einheimisches Bier zum probieren. Dazu wird noch gegrillt. Demzufolge kann ich nicht mehr jedes Detail wiedergeben! Ich war mehr oder weniger beschwipst. Alles in allem ein schöner Abend. Und auch vollkommen ungezwungen. Herzlich. Eine Mischung aus Russisch, Englisch, Deutsch und Estnisch. Es gibt viel zu erzählen und man meistert dies in den eben genannten Sprachen oder mit Händen und Füßen. Ich hätte nie gedacht, dass es so schön wird. Fühlt sich gut an! Kann nur ein Anfang sein!

Urlaub in Estland – Tag 2 Tallinn

Merke: Man kann auch den Bus oder Trolleybus benutzen

City Tour Bus
City Tour Bus

Nachdem wir am ersten Tag uns die Füße wund gelaufen hatten und die Tallinn Card nicht genutzt hatten, haben wir beschlossen heute mal den Bus zu benutzen. Sowohl als Transportmittel in die Innenstadt als auch zur Stadtbesichtigung. Also ab zur Bushaltestelle und rein in den Trolleybus, den man mit der Tallinn Card kostenlos benutzen kann. Nachdem wir unter dem Viru Einkaufszentrum die Busbahnhof begutachtet hatten – ganz interessant so ein unterirdischer Busbahnhof, der irgendwie ein einen dt. Zugbahnhof erinnert – haben wir nach einigem Suchen auch den City Tour Bus auf dem Viru Platz gefunden. Zum Aufwärmen gibt es erst einmal die blaue Linie mit interessanten Information auf dt. Sprache danke Köpfhörern – wenn man erstmal begriffen hat, wie man die Sprache einstellen kann. Nachdem wir wieder zurück sind, heißt es schnell Essen fassen. In 30 min geht es weiter.

Merke: McDonalds ist überall McDonalds

Viru Tor
Viru Tor

Dank der hilfreichen Tipps einer nicht genannt werden wollenden estnischen Biathletin (kommt keiner drauf wer das ist), die pünktlich zu unserer Ankunft die Flucht aus Tallinn ergriffen hatte, aber online jederzeit hilflose deutsche Touristen berät, finden wir auch einen richtigen McDonalds in der Nähe des Viru Platzes!! Und es gibt richtige Cheeseburger und Pommes. Normale Preise und Geschmack wie überall auf der Welt 🙂 Ich glaube Inge hat das erste Mal Cheeseburger gegessen. Aber sich nicht beschwert 😀 Und wir schaffen es pünktlich zum Beginn der grünen Linie wieder zurück. Dank Tallinn Card (Werbung mach) geht es auf zur zweiten kostenlosen Stadtrundfahrt.

Fehrsehturm – das höchste Gebäude Estlands

Tallinner Fernsehturm
Tallinner Fernsehturm

Am Meer entlang, vorbei an Song Festival Platz, geht es ab in den Wald. Wobei rechts an der Straße nette kleine Wohnhäuser stehen. Mit Gewächshäusern und Garten. Da könnte man doch glatt wohnen wollen. Mitten im Grünen und doch fast in der Innenstadt von Tallinn. Diesmal steigen wir aber aus. Und zwar am Fernsehturm. Frisch modernisiert und erst im April wiedereröffnet. Schlappe 314 Meter hoch. Mit 3,5 Meter pro Sekunde gehts innerhalb von weniger als einer Minute auf die 170 Meter hohe Aussichtsplattform. Ich glaub ich muss nicht erwähnen, dass ich doch glatt Druck auf den Ohren hatte. Kein Wunder bei der Geschwindigkeit. Oben angekommen erwartet einen ein 360 Grad Panorama Blick und alle 2 Meter ein Design-Computer in Bilzform. Ich hab das Bildungsfehrsehn jedoch gekonnt ignoriert. Auf dem Boden bekommt man Informationen wie weit welche Städte in welcher Richtung entfernt sind. Und dann gibt es da noch Löcher im Boden – soll heißen Glasboden. Ganz Mutige schauen durch und blicken 170 Meter in die Tiefe. Inge weigert sich strickt durchzugucken 🙂 Ich blinzl zumindest mal leicht runter. Nix für schwache Nerven. Aber kleine Kinder springen drauf run als wäre es nix.

Blick auf den Botanischen Garten und Tallinn
Blick auf den Botanischen Garten und Tallinn

Eine Ebene drüber befindet sich ein Cafe und Restaurant und eine Aussichtsplattform, die glücklicher Weise rundrum mit Maschendrahtzaun abgesichert ist. Aber leider hält der nicht den Wind ab. Ganz schön windig hier draußen. Von hier hat mein einen schönen Blick auf die 10 km entfernt liegende Innenstadt von Tallinn, den Botanischen Garten neben an, die Wohngebiete ringsum in mitten der Wälder, die Ostsee und den Pirita Hafen. Leider hatte ich meine Kamera falsch eingestellt und das Wetter war trübe, so sind kaum brauchbare Bilder rausgekommen. Muss ich wohl noch mal wiederkommen 😀 Aber alles in allem kann ich einen Besuch nur empfehlen. Hypermodern alles, Superblick – vor allem da Tallinn so grün ist und man nicht nur nackte Häuser sieht.

Botanischer Garten

Botanischer Garten
Botanischer Garten

Da zwischen den Bussen immer 1,5 Stunden Wartezeit liegen, entscheiden wir uns für einen Kurztrip in den Botanischen Garten, der nur 5Min entfernt vom Fehrsehturm liegt. Ist ja mal wieder kostenlos dank Tallinn Card. Neben diversen gut gepflegten Außenanlagen mit den verschiedensten einheimischen Pflanzen- und Baumarten, gibt es auch ein Gewächshaus mit einheimischen Pflanzen und Tieren wie Bananen, Kakteen oder Kakadus – öhhh subtropischen meinte ich :-). Sehr schön, aber als jemand, der der estnischen Sprache nicht mächtig ist, kann man leider nur erraten, was was ist. Es sei denn man kennt die lateinischen Bezeichnungen. Da wir ja heute keine Lust zum Laufen haben und aus Zeitmangel, haben wir uns auf das Gewächshaus beschränkt und auf den Rundgang um das Gelände verzichtet und uns zur Bushaltestelle begeben.

Pirita Jacht Hafen

Pirita Jacht Hafen
Pirita Jacht Hafen

Der Bus bringt uns nun zum Pirita Jacht Hafen und dank offenem Oberdeck bei kaltem Wind  ist Inga soft wieder bereit auszusteigen. Also machen wir unseren nächsten Zwischenstop am Pirita Jacht Hafen. Auf dem Weg dorthin habe ich meinen Friedhof gefunden. Im Vorbeifahren fand dich den Tallinner Waldfriedhof sehr faszinieren. Natur pur. So stellt man sich seine letzte Ruhestätte vor. Ist aber leider ein Promifriedhof 🙁 Zurück zum Pirita Hafen. Erbaut 1980 anlässig der Olympischen Spiele in Moskau, wurden dort die Segelwettbewerbe ausgetragen. Heute trainieren dort die Olympiasieger von morgen. Sehr süß wenn Dreikäsehochs sich im Segeln üben. Da hilft schon mal der Trainer mit Motorboot. Nach geruhsamen anderthalb Stunden an der Strandpromenade des Hafens gehts ab zurück in die Stadt.

Bier gibt es auch billiger und Esten sind wohl Weintrinker

Dinner in the Sky
Dinner in the Sky

Bevor ich wieder die 7 Euro für ein Bier zahle oder die Minibar für 3,2 Euro pro Bier plündere, gehen wir mal im Viru Einkaufzentrum shoppen. Hier gibt es Bier zu Normalpreisen und 5 Regale voller Wein. Übertrifft ja unsere deutschen Supermärkte um Längen. Zur Sicherheit nehmen für für die morgen anstehende Busreise nach Pärnu auch gleich Kekse und Äpfel mit. Wo wir beim Thema wären – wäre ja mal wieder Zeit etwas Nahrung aufzunehmen. Irgendwie klappt das aber nicht so. Die Speisekarten sind immer sehr übersichtlich und irgendwie nicht so mein Fall. Nach längerem Suchen, folge ich Inges Vorschlag und wir enden wieder bei McDonalds 😀 Ein Dinner in the Sky auf dem Freiheitsplatz war auch irgendwie keine Alternative. Wie kann jemand in 50 Meter Höhe an einem Kran baumelnd noch was essen? Und das noch zu gesalzenen Preisen? Ich würde da keinen Bissen runterkriegen und und das Frühstück oben drein wieder von mir geben. Ne ne da guck ich lieber von unten zu und warte bis einer von oben …

Tallinna lillefestival

Auli
Auli

Gestern hat uns doch ein netter Herr einen Flyer in die Hand gedrückt – Tallinna lillefestival am Toompea-Schloss. Liegt ja eh auf dem Heimweg. Also schauen wir noch mal vorbei. Es gibt mittelalterliche Musik mit Duddelsäcken von der Band Auli. Die Sonne ist rausgekommen und mit ihr so einige Zuschauer. Ein buntes Publikum: Familien, Touristen, Einheimische, verkleidete und normale 🙂 So ein kleiner Dreikäsehoch hat richtig Spaß und ist die Attraktion des Abends 🙂 Zuerst stampft er nur mit dem rechten Bein auf. Im Takt wie die Musiker. Und dann dreht er voll auf. Inge ist fasziniert 😀 So geht ein weiterer Tag zu Ende und wir zufrieden grinsend ins Bett.

Urlaub in Estland – Tag 1 Tallinn

Abflug mit kleinen Hindernissen

Viertel nach 5 – der Wecker klingelt, das Adrenalin steigt. Immerhin 3 Stunden Schlaf. Dachte schon ich schlaf gar nicht. Noch mal Unterlagen prüfen: alle Unterlagen da, Geld da, Handy da –  den Rest kann man kaufen.  Taxi kommt widererwarten auch pünktlich, Mutter einsacken und ab geht’s … in den Stau! Scheiß Baustelle. Naja, haben ja noch Luft und wir kommen noch recht pünktlich am Flughafen an. Verdammt die Taxipreise werden auch immer schlimmer. 80 Euro – das war vor 2 Jahren noch 10 Euro billiger. Nun gut, einckecken am Automaten. Öhhhhh, der is aber anderes als bei der Lufthansa-Demo-Seite. Öhhh … ahh nette Dame die hilft. Ach man kann jetzt das Gepäck auch gleich am Automaten aufgeben. Nicht, dass ich mir gemerkt hatte, wie das geht, aber ich weiß jetzt, dass es geht :-D. Ohne Piep durch die Sicherheitskontrolle ist auch was neues. Geht ja wie am Schnürrchen … bis jetzt! Inga hat ihr Ticket an der Sicherheitskontrolle verbasselt. Panik! Ok, meine hält sich in Grenzen. Während Inga noch mit der „sehr freundlichen“ Dame an der Kontrolle rum tut, frag ich mal einen netten Sicherheitsmenschen, ob man irgendwo ein neues Ticket kriegt – wir sind ja schließlich eingecheckt. Ok, geht. Na dann, wieder was gelernt. .. ahh und schau mal mit dem nächsten Körbchen kommt auch das vermisste Ticket angefahren. Dann ist ja wieder alles gut. So nochmal Inga beruhigen und ab zum Gate 85 oder 95 oder so. Das ist quasi Hintertupfigen am Münchner Flughafen. Endstation, weiter gehts nimma. Was für ein Glück, dass es diese Rollbänder gibt, sonst hätten wir schon am Flughafen schlapp gemacht. Meine letzten Worte in Endlosschleife vor dem Abflug: Ich werde sterben! So sollte ein Urlaub anfangen 😀

Ankunft

Blick aus dem Hotelfenster auf Toompea Turm
Blick aus dem Hotelfenster auf Toompea Turm

Rums, gelandet. Süßer, kleiner, schnucklicher Flughafen. Und nun? Irgendwo gibt’s Busse. In Estland gibt es überall Busse. Ok, es gibt eindeutig zu viele für mich und wo ist jetzt der Ticket-Kiosk?? Also Infoschalter. Uaaaa Englisch reden! Ach stimmt, da war doch was. Ich hasse Fremdsprachen. Die Lösung heißt Airport-Shuttle Bus 90 K. Schlappe 2 Euro pro Person (Liebe Münchner denkt mal drüber nach!) und dafür gibts quasi gleich eine Stadtrundfahrt. Der Bus fährt einmal rund um die Innenstadt und hält an allen wichtigen Plätzen (Hotels). Und das alle 20 Minuten. Die Dame nennt mir auch gleich die Station wo wir raus müssen. Station 12 bedeutet, dass wir fast zum Schluss raus müssen und somit eine kostenlose Stadtrundfahrt bekommen. Irgendwie sitzen lauter Deutsche im Bus 🙂 … Irgendwann möchte eine estnische Oma einsteigen. Der Busfahrer erklärt ihr, dass dies 2 Euro kostet. Schimpfend – ich versthe nur was von Schmarotzki oder so –  steigt sie wieder aus. Naja der Stadtbus ist ja billiger. So jetzt noch mal Handy raus und Google Maps befragen. Und schon sind wir pünktlich kurz nach 14 Uhr im Hotel. Mit perfektem Blick auf dem Toompea Turm, auf dem jeden Tag die estnische Fahne gehisst wird (inklusive Nationalhymne).

Bahnhof

Zug nach Türi am Tallinner Bahnhof
Zug nach Türi am Tallinner Bahnhof

Und gleich ab ins Vergnügen. Da die Tallinn Card in unserem Hotel doch allen Ernstes ausverkauft ist, kaufen wir die halt im Hotel Shnelli am Bahnhof – ich find den Namen so geil :-).  Nachdem das erledigt ist, schauen wir uns am Bahnhof um. Dafür, dass hier so gut wie keine Züge fahren, sind 9 Gleise schon sehr beachtlich. Gut, die Züge schauen nicht sehr modern aus und lang sind sie auch nicht, aber immerhin sind welche da. Und es steigen sogar 10 Leutchen ein. Völlig undenkbar in Deutschland. Der Hauptbahnhof der Hauptstadt entspricht einem Bahnhof in einer deutschen Kleinstadt. Aber auch logisch, wenn man weiß, dass das Schienennetz sehr dürftig ist und die Züge sehr langsam fahren. Busse verkehren hingegen zwischen allen Städten ohne Zwischenhalt und sind klimatisiert und sogar mit Wifi ausgestattet. Dann nimmt man eben den Bus anstelle Bahn.

Schlümpfe gibt es auch in Tallinn

versauter Schlumpf
versauter Schlumpf

Neben dem Bahnhof gibt es einen kleinen Markt. Sah sehr russisch aus. Ich hätte mir da doch glatt ein Schlumpf-Shirt gekauft. Ich wusste gar nicht, dass Schlumpfe was zum vermessen haben … Aber nun gut, wir wollen ja nicht gleich am ersten Tag mit Blödsinn anfangen. Ansonsten gab es dort wie auch auf deutschen Märkten so mehr oder weniger alles. Angefangen von Obst und Gemüse, Klamotten bis hin zu Handwerkszeug und alten russischen Kinderbüchern. Da mein Magen knurrte, haben wir uns mal ein wenig am Bahnhof umgeschaut. Am Bahnhof muss es doch was zu essen geben. Sei er auch noch so klein. Erfreulicherweise erblickte ich einen Burger-Stand.

Merke: Cheeseburger ist nicht gleich Cheeseburger

Cheeseburger auf estnisch
Cheeseburger auf estnisch

Na dann mal nen Cheesburger kaufen. Ok, ich war dann etwas irritiert als die Dame ein Brötchen aus der Verpackung holt und dies dann in die Mikrowelle packte. Gut, das mach ich zu Hause auch, aber ich verkauf die Dinger ja net. Als sie mir dann das Ding in die Hand drückte, verging mir leider der Appetit. Majo auf einem Cheeseburger. Und das nicht zu knapp!1 Dazu Karotten und Weißkraut. Und irgendwas fleischartiges, was ich nicht ganz interpretieren konnte. Da nicht mal meine Mutter das Ding verspeisen wollte, landete es leider im Mülleimer.

Merke: Mehrere Wege führen zum Toompea-Schloss

Alternativer Weg zum Toompea Schloss
Alternativer Weg zum Toompea Schloss

Dann muss halt der Notrations-Müssliriegel dran glauben. Frisch „gestärkt“ gehts auf die andere Straßen Seite zum Toompea-Schloss. Wobei ich sagen muss, dass wir keine Ahnung hatten, wohin diese Treppen führen, als wir uns entschieden, den Menschen zu folgen die sich unendlich lange Treppen nach oben quälten. Dummer Weise dachten wir, nach der Hälfte, dass wir nicht weiter Treppen steigen  wollen und sind einfach in die andere Richtung abgebogen. Böser Fehler.  Währen die Treppen schön schnurstracks nach oben führen, war dies die alternative Route auf schmalem Trampelpfad ohne Geländer die Stadtmauer entlang nach oben. Das ist ja so rein gar nichts für meine Höhenangst. Ok, es gab einen schönen Ausblick auf den Park und Sportplätze, aber mit runter gucken war bei mir nicht viel. Oben hab ich erst einmal drei Kreuze gemacht.

Selbstzerstörendes Klo

Junge Möwe
Junge Möwe

Oben auf der Aussichtsplattform erblickte Inge freudestrahlend ein Toilettenhäuschen. Ich sage es euch, so was hab ich noch nie gesehen. Behindertengerecht also vergleichbar mit den ICE-Klos nur größer. 20 Cent reingeworfen und Inge reingesteckt. Ich hab mir dann die Zeit mit einem für mich unidentifiziertbarem Vorgel vertrieben. Nachdem ich jetzt etwas geforscht habe, glaube ich, dass es eine junge Möwe war. Sehr zutraulich und gar nicht ängstlich diese Jungvögel. … So nach 5 Minuten wundere ich mich, ob Inge vom Klo verschluckt wurde. Auf Nachfragen meint sie, sie findet die Spühlung nicht. Also Bedienanleitung lesen (ist ja alles schön drauf geschrieben – außen!!) Ich einige mich dann mit mir selbst, dass es sich um ein selbstzerstörendes emm selbstreinigendes Klo handelt. Und ernsthaft, wenn man das Ding verlässt, geht die Autowaschanlage los 🙂 Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt. Plädiere dafür so was auch in Deutschland einzuführen. Wäre sicher für die ein oder andere Folge „Verstehen Sie Spaß“ gut geeignet 😀

Merke: Ein Tourist ist ein gutes Opfer wenn es um Nahrung geht!! Das ist überall so!

Rathaus
Rathaus

Jetzt aber was essbare suchen! Also vorbei an einigen Sehenswürdigkeiten ab in das Zentrum der Altstadt. Dort gibt es sehr viele kleine Restaurants, wo vor jedem ein nettes junges Mädel oder Junge steht, die/der einen einläd was zu essen. Ist quasi wie auf Malle wo man in Discos geschleppt wird. Hier halt zum Essen. Wobei das schon sehr nervig ist. Aufgrund des starken Hungers einigen wir uns auf was bekanntes und keine Experimente mit unbekanntem estnischen Essen. Schon wieder schwerer Fehler. Meine Mutter kriegt ne Pizza Magaritha für knapp 10 Euro und ich eine vegetarische Pizza für 13 oder so. Preis-Leistungs-Verhältnis ist miserable, da macht sogar der Inder in Pfaffenhofen ne bessere Pizza. Der Schock kommt aber erst bei der Rechnung. Das Glas Bier (0,5) kostet schlappe 7 Euro. Das übersteigt sogar die Wiesenpreise!! Naja, ich nehme das nicht so tragisch und muss tierisch lachen, aber noch mal mach ich das nicht! Zur Sicherheit frage ich demnächst bevor ich ein Bier bestelle!

Hafen

Schiffsrestaurant
Schiffsrestaurant

Gestärkt machen wir uns dann wieder auf die Socken und marschieren Richtung Hafen. Vorbei an Parkanlagen mit Bogenschützen, Stadtmauern und sehr viel Kopfsteinpflaster. Es ist ein schöner lauer Abend und die Sportler kommen aus ihren Löchern. Ich hab irgendwie das Gefühlt, dass der Hafen Treffpunkt für Jogger und Radler ist. Neben den Terminals für die großen Fähren gibt es auch einen netten Hafen für kleine Jachten. Ok, die Boote sind kleiner als in Monaco 🙂 aber die würden auch nicht hierher passen. So langsam wird es kalt, vor allem bei der steifen Brise am Hafen. Und so langsam schmerzen die Füße. Also machen wir uns auf den Weg zurück.

Merke: alle Wege führen zur Alexander Nevsky Cathedral oder zum Freiheitsplatz

Alexander Nevsky Cathedral
Alexander Nevsky Cathedral

Gehen wir also am besten den gleichen Weg zurück den wir gekommen sind. Mehr oder weniger. So groß ist die Altstadt nun doch nicht, dass man sich verlaufen könnte. Bis zum Freiheitsplatz war das auch alles kein Problem. Nur dann war die Frage, wie wir ohne diesen Trampelpfad an der Stadtmauer entlang zum Bahnhof bzw. zum Hotel gelangen. Das ganze endete trotz Google Maps darin, dass wir Kreise um die Alexander Nevsky Cathedral drehten. Ich habe jetzt eine Phobie was diese Kirche betrifft und mag sie nie wieder sehen. Obwohl sie ja nicht schlecht ausschaut. Und wenn wir nicht an diese Kirche rauskamen, dann halt auf dem Freiheitsplatz. I feel so lost in Tallinn :-D. Und das trotz Karte – und ich kann eigentlich Karten und Straßennamen lesen – Wifi und Google Maps Navigator.

Die rettenden Treppen

Tallin am Abend
Tallin am Abend

Nach gefühlten 10 Stunden kamen wir doch wider erwarten an der Aussichtsplattform an, zu der die Treppen führten, die wir zu Beginn verschmäht hatten. Das ganze hatte einen Vorteil. Mittlerweile war Sonnenuntergang und wir hatten zwischen gefühlten 1000 Liebespaaren immerhin einen netten Blick auf Tallinn in orangem Sonneruntergangslicht.

Endlich im Hotel angekommen durften wir noch der estnischen Hynme lauschen, währen die Fahne auf dem Toompea Turm eingeholt wurde. 7 Stunden über Kopfsteinpflaster laufen sind eine ideale Schlaftablette 🙂 Da schläft man in jedem Hotelbett mit oder ohne Straßenlärm wie ein Murmeltier!

Alles in allem ein anstrengender aber dennoch schöner und interessanter Tag. Viel gesehen, viel neues gelernt und auch viel gelacht 😉

Urlaub in Estland – Prolog

Als ich ein Kind war, sagten meine Freunde immer, dass meine Oma komisch spricht. Mir ist das nie aufgefallen, weil ich es ja gewohnt war. Aber ich hatte immer eine Antwort: Sie kommt aus Estland. Ich wusste, dass sie im Zweiten Weltkrieg Estland verlassen mussten und nach Deutschland kamen. Meine Oma sprach kein Wort Deutsch als sie hier ankam. Da bleibt eben ein kleiner Akzent.

Meine Großeltern und ich 1977
Meine Großeltern und ich 1977
Meine Großeltern mit meinem Onkel in Estland 1937
Meine Großeltern mit meinem Onkel in Estland 1937

Mein Großvater  – Heinrich der Sechste oder so – starb als ich fünf war mit über 90. Er war Deutschbalte. Soll heißen, seine Familie war deutsch und ließ sich irgendwann einmal in Estland nieder. Wann genau weiß ich nicht. Wie so viele andere deutsche Familien auch, als Estland und Lettland von Deutschen (Deutscher Orden) besetzt war. Meine Großmutter war eine echte Estin ohne deutsche Wurzeln. Aber als mit dem Hitler-Stalin-Pakt Estland der Sowjetunion zugesprochen wurde, mussten die deutschstämmigen Familien Estland verlassen. Meine Großeltern taten dies 1940 (Angaben ohne Gewähr), in der Hoffnung nach dem Krieg wieder zurückkehren zu können. Tja, daraus wurde leider nichts.

Die Familie meiner Großmutter
Die Familie meiner Großmutter (rechts)

Als Kind interessiert man sich leider für dieses Thema relativ wenig. So bleiben mir nur die Erinnerungen an die Luftpostbriefe, die ab und an bei uns eintrudelten, und eine handvoll estnische Wörter wie „ema“, „vanaema“, „isa“, „vaneisa“ oder „üks“, „kaks“, „kolm“. Die Briefe kamen von der Schwester meiner Großmutter. Sie schrieben sich noch regelmäßig und schickten Bilder. Daher wusste ich, dass wir noch Verwandte in Estland haben. Nach dem Tod meiner Großmutter 1990 hatten wir jedoch keinen Kontakt mehr. War auch sprachlich schwierig, da wir wie gesagt kein Wort estnisch können.

Die Familie meines Großvaters
Die Familie meines Großvaters

Die Familie meines Großvaters war komplett aus Estland geflohen. Alle Schwestern meines Großvaters verstarben kinderlos in Deutschland. 2 von ihnen wohnten bei uns, starben aber bevor ich geboren wurde (mein Großvater war über 20 Jahre älter als meine Großmutter und meine Mutter war auch schon 35 als ich geboren wurde). Schade dass sie nicht mehr mitbekommen dürften, dass Estland wieder ein eigenständiger Staat ist. Obwohl sie Deutschbalten waren, waren sie mit dem Land stark verbunden. Meine Mutter sagt immer, mein Großvater war mehr Este als meine Großmutter 🙂 Er war auch in der Zarenarmee als Estland unter russischer Herrschaft war und hat bis zu seinem Tode geflucht, dass sie Lenin nicht erwischt haben. Ja, wer weiß was dann passiert wäre, wenn sie es hätten …

Meine Mutter und ich hatten öfter über Estland gesprochen. Und darüber irgendwann mal das Land unserer Vorfahren zu besuchen. Aber irgendwie hatte ich mich immer drum gedrückt und mich stattdessen auf eine Estlandfahne über meinem Bett und Daumendrücken für estnische Sportler beschränkt.

Es lebe Facebook und Geni

Irgendwann diesen Winter war mir langweilig und ich habe Google mit den Namen meiner Großeltern gequält. Die Esten sind ja im Bezug auf das Internet voll süß. Und auch im Bezug auf Ahnenforschung  – ich glaub jeder Este ist bei Geni  mit kompletten Stammbaum erfasst. Also ist es eigentlich auch kein Wunder, dass ich auf digitalisiert alte deutsche Kirchenbücher aus Pärnu gestoßen bin, in denen ich meine Großeltern gefunden habe. Was dann dazu führte, dass ich meine Mutter nach alten Bildern fragte. Dann nannte sie mir noch die Namen der Kinder und Enkel von den Geschwistern meiner Großmutter. Und was soll ich sagen? Hat nur ein paar Stunden gedauert und ich hatte Kontakt mit meinen estnischen Verwandten. Es lebe Facebook 🙂

Meine Mutter war total aus dem Häuschen. Im Gegensatz zu mir, hatte sie ja schon den ein oder anderen persönlich getroffen als sie zu Besuch in Deutschland waren. Und auch sonst hat sie mehr mitbekommen als ich. Der einzige Nachteil war, sie hatte vergessen, dass da mehr als 20 Jahre vergangen waren. Die Bilder, die sie im Kopf hatte, waren nicht mehr ganz aktuell. Du frag mal dies und frag mal das. Und unabhängig davon, war klar: Dieses Jahr fahren wir nach Estland! Widerstand war zwecklos 😀 Also ab nach Pärnu – in die Stadt unserer Vorfahren! Und wo wir schon mal da sind, dann auch noch ein paar Tage Tallinn. Die Hauptstadt Estlands darf man nicht nur als Umsteigebahnhof benutzen.

Lieber Jan …

Jan Ullrich: „Ich hätte viel früher reinen Tisch machen sollen“

Ja, hättest du! … auch ich ab 2006 gelitten wie ein Schwein, während in ganz Deutschland gefeiert wurde wie nie zuvor. Ich verbinde 2006 mit keinem Sommermärchen. Was mich am Ende gebrochen hat, war nicht das Doping an sich, sondern das Verschweigen der Wahrheit. Ich bin schon lange nicht mehr so naiv, um an einen sauberen Sport zu glauben. Wenn es eins deiner Idole erwischt, mit dem du während der gesamten Karriere von Amateurweltmeister bis zum schwärzesten Tag gelacht und geweint hat, dem du jedes „Fehlverhalten“ verziehen hast und immer unterstützt hast, weil es ihn so menschlich machte, dann tut das weh, aber nicht lang – weil es genug Gründe gibt um zu verstehen. Ja, auch für Doping gibt es nachvollziehbare Gründe – was nicht heißt dass man es gutheißen muss. .. Aber wenn der Mensch hinter dem Sportler dich über Jahre enttäuscht, dann kann man das nicht mehr kitten. Irgendwann nach Monaten, Jahren hab ich das Thema Jan Ullrich für mich geschlossen, und die Hoffnung aufgegeben. Auch für mich ist das Thema erledigt …

Was gutes hatte es trotzdem. Mich haut das Thema Doping nicht mehr aus den Socken. Egal wer es ist. Ein Tag ärgern, über die immer wieder gleichen Dementis etc und zu das Buch. Es gibt noch Millionen andere Sportler. Ja und einige davon sind gedopt. Was solls. Genau wie der ein oder andere Unternehmer korrupt ist. So sind die Menschen halt. Ich glaube nicht an Märchen, aber ich lass mir den Spaß am Sport nicht nehmen. Ich hab meinen eigenen Frieden mit dem Thema gemacht. Aber ich leg für niemanden mehr meine Hand ins Feuer. Nicht für den Sportler und nicht für den Mensch dahinter …

Möge man mich für diese Worte steinigen …

Money the treats for human beings – The principle of reward at work

Well we all know that. Every company, every sport team, every religion, every social group has leaders. And they show us the right way. They decide what is good and what is wrong. That’s life. You can follow or not. If you follow you are a god person and you have the chance of a reward. If not then you are a bad one and you can forget the reward. Same principle like coaching a dog. If the dog does what you want you reward it with a treat. So that the dog learns who it has to act. Simple conditioning. But some dogs are better and can jump higher then others, but they don’t want to jump through a burning hoop. And so they are „bad“ dogs and get less treats.

A human being has a very simple brain structure as well. We always want to be rewarded. And at work the best reward is money. So a lot of companies pay a bonus. But how to evaluate the performance of an employee? How to judge? Use the leaders always objective facts? Judge they only about our performance. And how can we influence the decision? How can we increase the amount of our bonus? How can we influence that we are rewarded and the amount of the reward?

True story – reality at my office

One day my boss came in our room  and said to me and my two colleagues that we should analyze how we can improve the interface between two software components. And we should consider the options A, B, C …  So we started and discussed the options. We agreed that option B won’t improve anything. Option C was bullshit, would  increase the complexity. So I prepared the presentation. Stupid me. And then we presented the results to our boss. I explained why option B won’t improve anything. And your boss said: „Well I like this option. I want to do it.“ And I explained again, why it won’t improve anything. And my 2 colleagues said: „Ok, why not. Let’s do it“ This was the first time when I was confused. Because it sounded different to that what we discussed 1 hour before in our room. Ok, let’s talk about option C. The bullshit option. And surprise surprise this was the favorite option of our boss and one of my colleagues said: „Well we all know this would be the best option“ … hmm at this moment I wanted to take the laptop and **** … only one hour before his words were totally totally totally different. But I’m a fighter and I explained again all the contras.

It is always the same with my two men, especially with one of them. What we talk in our room doesn’t matter. Sometimes it is funny and sometimes it is really disappointing. What the boss says have to be done. He is the one who knows the right way. There is no need for new opinions, no need for improvement through discussion. I’m a little bit different. If I have an opinion, then you have to convince me with facts. Real facts and not only the fact, that the boss knows all better.

Well, my special colleague got the highest bonus of us this year. I can’t complain, because I got enough and I don’t want to complain. I don’t begrudge it to him. It’s ok, but … kissing the feet of the boss can be helpful. Conditioning of employees. That’s life. If you are a good slave you will get a better reward. Follow the leader, even if he is on the wrong way. After 10 years as a working person in companies with a bonus system, I could tell more stories. I’m good at work and this is a very important fact, so I can not complain about the bonus system. But it is very interesting how easy it can be used to condition people. Like a dog with treats. Money the treats for human beings.

Well, I cannot be bought. I’m not for sale. I know that freedom is not for free. The question is, if we want be rewarded by others or by ourselves. Looking in the mirror in the morning with knowing, that you are not conditioned. A new day with new challenges. With new thoughts. With own thoughts. I’m the dog, that doesn’t jump through a burning hoop. Even if you give me 10000 treats.

PS: By the way there would be other kind of rewards at work, that could be used. Not only money. Some of them are again simple conditioning, but some would improve the employees. Real improvement. Anyway. Oh and I think that different options, different opinions, different facts are very important. We all have only our own view and so it happens very easily that we can not see a very important fact.

Die neue Generation – der moderne Antisemit oder das Recht zu vergessen

Eigentlich wollte ich das Thema Grass, Antisemetimus, Israel-Iran-Krieg mal ein paar Tage auf Eis legen. Eigentlich …aber dann stieß ich doch wieder auf interessante Dinge, die mich zum nachdenken bringen.

Israel von Israel aus gesehen – Das Recht zu vergessen

Nachfolgend Zitate aus Das Recht zu vergessen – Avi Ben-Chamo. Der Designer und Musiker stammt aus Haifa und lebt seit 2011 in Berlin. Ich kann nur jedem empfehlen diesen Artikel in voller Länge zu lesen. Ein ganz normaler Mensch, kein Politiker, kein Journalist. Meine Generation. Nur auf der „anderen Seite“. Und schon mal auf Neudeutsch: FETTER RESPEKT für diese Worte. Für den Mut eine solche Ansicht öffentlich zu vertreten.

„Wir sind Gedächtnis-Agenten, deren Aufgabe es ist, den Rest der Welt zu jeder Zeit – sei es Smalltalk, Tischgespräch oder eine große Diskussionrunde – daran zu erinnern, was den Juden passiert ist; im Holocaust oder in den Kriegen, oder einfach daran, dass alle Welt die Juden hasst. Wenn sie es nicht wissen sollten, ich bin da, um sie daran zu erinnern.“

„Wir müssen uns erinnern – ohne Frage -, aber wir müssen auch lernen zu vergessen. Wir müssen lernen, Kritik von anderen zu ertragen, ohne sofort davon auszugehen, dass sie uns schaden wollen. Wir sollten lernen, Menschen wie Günter Grass reden zu lassen, ohne ein Drama daraus zu machen. Denn das Drama ist manchmal gefährlicher als es die Worte sind. „

„Wenn ein Israeli Israel verlässt, nennt man ihn einen Verräter, der sein Land den Feinden überlässt. Wenn ein Israeli Israel kritisiert, wird er mit Worten gesteinigt. Zwei Rechte nimmt Israels Demokratie ihren Bürgern: das Recht zu kritisieren und das Recht zu vergessen.“

„Doch es sieht so aus, dass Israels Regierende, wenn sie in naher Zukunft nichts an diesem israelischen Modell der kollektiven Erinnerung ändern, bald allein gelassen werden mit ihrem Gedenken. Wenn diese Kultur des Überlebens nicht zu einer Kultur des Lebens wird, wenn die Politik keinen Platz findet für den Wunsch der jungen Israelis nach einer Identität der Freiheit, dann wird mein Land seine Töchter und Söhne nicht an die Kriege verlieren, sondern an die Diaspora.

Ich finde es auf der eine Seite sehr überraschend, aber auf der anderen Seite auch nicht, dass auch junge Israelis die Vergangenheit und den Zwang sich daran zu erinnern zu müssen und somit quasi auch in der Vergangenheit leben zu müssen, als Last empfinden.  Der Tod und das Leiden seines eigenen Volkes und die Angst auf Wiederholung als ewiger Begleiter. Als Last auf den Schultern. Die einen daran hindert heute und jetzt leben zu können.

Bis jetzt hatte ich die ewige Antisemitismuskeule und das ewige Erinnern an die Grausamkeiten des Holocaust eher  als Gefahr für Israel von außen empfunden. Dass die Welt dies nicht mehr lange mitmacht. Die Stimmen gibt es ja überall und nicht nur in Deutschland, die lauter werden und das Totschlagen jeder Kritik mit dem Wort Antisemit nicht mehr mitmachen wollen. Ich hatte sogar bei einigen Beiträgen, die ich fand,  das Gefühl das sich daraus wirklich eine sehr negative Meinung über Israel bis hin zu „sie wollen die Weltherrschaft an sich reißen“ entwickelt. Mal ganz zu schweigen, dass die aktuelle Diskussion in Deutschland dazu führt, dass einige dazu tendieren, den Iran zu verharmlosen. Nur weil man die Objektivität verliert. Weil man der Antisemitismuskeule leid ist, stellt man sich aus Prinzip auf die andere Seite. Und man findet ja auch schnell Argumente, dass der Iran missverstanden wird bzw. Aussagen manipuliert werden. Das reicht ja dann schon. … Jedenfalls hatte/ habe ich das Gefühl, dass wenn man nicht aufhört mit der Antisemitismuskeule unüberlegt um sich zu schlagen, dass dann wirklich eine Art neuer Antisemitismus entsteht. Wenn es nicht  schon eine zarte Pflanze ist, die gerade kräftig gedüngt und gewässert wird. Einfach nur aus der Tatsache, dass man sich unterdrückt fühlt, eingeschränkt in der Meinungsfreiheit, missverstanden und als etwas abgestempelt, was man nicht ist.  …

Anscheinend aber verliert Israel durch diese Politik/ Kultur auch im eigenen Land  seine eigene Zukunft. Die junge Generation trägt diese Politik nicht mehr mit. Und nicht nur das, sie verlässt das Land in Richtung „antisemitisches Feindesland“. Sie will frei leben.

Dies gibt mir Hoffnung. Nein ich meine nicht, dass sich Israel so quasi selbst von der Landkarte fegt. Nein, ich meine die Tatsache, dass wir gemeinsam neu anfangen können. Ohne ewige Feindbilder, ohne die Last der Vergangenheit. Gemeinsam leben heute und in Zukunft. In Guten und in schlechten Zeiten. Gemeinsam Lachen, gemeinsam Diskutieren/ Streiten, gemeinsam kämpfen weil wir es wollen und überzeugt davon sind und nicht weil wir müssen. Eine neue Generation … in Israel, Deutschland und überall auf der Welt mit dem Blick für heute und die Zukunft ohne die Vergangenheit ganz aus den Augen zu verlieren.

Der moderne, nach vorn schauende Antisemit

Und jetzt der Gegenpart: Henryk M. BroderGrass macht die Antisemiten endlich modern

„Nur die Deutschen, die das Pech hatten, in der „sowjetisch besetzten Zone“ zu leben, mussten dafür büßen, dass Deutschland den Krieg nicht nur angefangen, sondern auch verloren hatte.“

„Die „German Angst“, inzwischen ein Begriff wie „Autobahn“ und „Kindergarten“, könnte ihre Ursache in der ausgebliebenen Strafe beziehungsweise in dem Verlangen nach Bestrafung haben. Vieles spricht dafür, dass die Deutschen ständig damit rechnen, vom Schicksal eingeholt zu werden.“

„Wie jedes soziale Phänomen geht auch der Antisemitismus mit der Zeit, mutiert und passt sich seiner jeweiligen Umgebung an. Man kann ihn als Krankheit, als abweichendes Verhalten oder auch als den Normalfall des Umgangs von Nichtjuden mit Juden bezeichnen. Allerdings, nicht überall, wo Antisemitismus drin steckt, steht auch Antisemitismus drauf. Im Zeitalter der politischen Korrektheit hört sich „Israelkritik“ viel besser an.“

„Trotz solcher Aussetzer kommt Grass das Verdienst zu, die Antisemitismus-Debatte auf den neuesten Stand gebracht zu haben. Nur bornierte, rückwärtsgewandte Deppen wie David Irving, Horst Mahler oder Bischof Richard Williamson leugnen den Holocaust. Der moderne, nach vorn schauende Antisemit macht ihn zur Grundlage seiner Argumentation – gegen die Juden, die aus ihrer eigenen Geschichte nichts gelernt haben und im Begriffe sind, die Nazis zu übertreffen.

Hieß es früher „Die Juden sind unser Unglück!“, so wird es ab heute „Israel ist unser Unglück!“ heißen. Jetzt fehlt nur noch ein Update für „Juda verrecke!“ 

… den Rest erspar ich mir mal, wie auch die anderen 10000 ähnlich gelagerten Artikel der Welt. Noch bornierter geht es eigentlich nicht. Was soll das? … Ach eigentlich möchte ich nichts mehr dazu sagen. Außer, was für ein Glück, dass ich als Ossi meine Schuld am Zweiten Weltkrieg ja bezahlt habe.

Die Hoffnung auf Frieden, Akzeptanz, normalen Umgang miteinander ohne die Vergangenheit aber zu vergessen liegt in  jungen Generation. Die Welt, die Ansichten und die Menschen ändern sich. Zum Glück!