Emotionale Freiheit

Ich kann lustige Wörter suchen und mich fragen, welchen Sinn die haben sollen, außer kurzfristige Aufmerksamkeit und Applaus zu erzeugen. Kann mich fragen wo Wissenschaftskommunikation aufhört und Campaigning beginnt.

„Wir verlabern unsere Chancen“ – Ich stimme zu

Nen gewissen Unterhaltungswert hats ja. All diese lustigen Wörter. Konsumismus, Wirks, Überkonsumgesellschaft – ich verspüre den Drang die wissenschaftliche Definition von Überkonsum in die Welt zu brüllen – Ressourcentriage, Fortschrittsvokabular, Überforderungsnarrativ, gesellschaftliches Betriebssystem  und so weiter. Da kann man locker ein mehrseitiges Bullshitbingo bauen, dass man nach 2 Minuten komplett durchgehakelt hat. Und ja ich weiß. Ich höre zu. Ich höre auch den am kurzfristigen Effekt ausgerichteten Applaus.

Ich muss an Philipp denken und wie sehr wir die Macht der Sprache überschätzen. Aber Sprache das Handwerkszeug der Geisteswissenschaftler ist und man daher versucht ist, es als Allheilmittel zu sehen, als die Möglichkeit die man hat.

Das mit dem Wirk habe ich ja schon mal ausprobiert vor ein paar Wochen. Der Erfolg war unverglaublich. Sarkasmus Ende.

Wenn ich das alles so lese, die pünktlich zur Buchveröffentlichung in quasi allen Medien veröffentlichten Interviews, die Leseprobe des Buches (und nein, ich kauf das nicht, mögen demnächst andere falsche Zitate auf Twitter korrigieren), was bleibt da? Was bleibt da für den Normalbürger, jenseits der elitären woken Weltverbessererblase. Die die keine Akademiker sind. Die nicht die Komplexität der Welt umreißen können und zurecht auch nicht wollen. Die die die komplexe Sprache nicht ihr eigen nennen – I feel. Die die nicht mal mit dem Gendern klar kommen – mach das weg bitte. Die die Alltag daheim haben. Die Systemrelevanten. Die Nichtakademiker. Die Menschen mit ihren Träumen. Die Menschen die einfach ihr Leben leben. Die um deren Jobs es geht. Die die von unten den Wandel treiben sollen.

Ich bin heute über Heinz Rudolf gestolpert. Hach I feeeeeeeel. Aber genau das ist das was man nicht sieht, wenn man in einer anderen Welt in Subkulturen lebt.

Es sind die ganz normalen Menschen
Die uns’re Weltgeschichte machen
Mit ihren ganz normalen Träumen
Und die sind keineswegs zum Lachen
Es sind die ganz normalen Menschen
Ohne die es gar nicht ginge
Denn diese Menschen sind entscheidend
Für den normalen Gang der Dinge

Es sind die ganz normalen Menschen
Sie halten den Betrieb am Laufen
Denn für abstruse Spinnereien
Kann man sich herzlich wenig kaufen
Es sind die ganz normalen Menschen
Mit einem ganz normalen Leben
Die sich auch ganz normal benehmen
Die sich zumindest Mühe geben

Es sind die ganz normalen Menschen
Sie wollen nur ihr Leben meistern
Weil sie ihr Leben einfach lieben
Und sich total dafür begeistern
Es sind die ganz normalen Menschen
Die etwas leisten, etwas taugen
Die hier das große Rad bewegen
Die, mit dem Glanz in ihren Augen

Und damit eines völlig klar ist
Damit man eines nie vergisst
Normal ist, wer den andern sein lässt
Und zwar in Frieden, wie er ist

Es sind die ganz normalen Menschen
Die sich auch gar nicht dafür schämen
Die sich viel lieber nützlich machen
Die sich nicht furchtbar wichtig nehmen
Die ander’n helfen aus Bedürfnis
Nicht aus Berechnung, wie so viele
Sie haben ganz normale Wünsche
Sie haben ganz bescheid’ne Ziele

Der Müllmann und die Krankenschwester
Der Taxifahrer und der Lehrer
Der Polizist und die Verkäuferin
Die Ärztin und der Straßenkehrer
Die mit dem Kopf und mit den Händen
Und oft genug auch mit dem Herzen
Den Laden schmeißen, ja mit denen
Soll man es niemals sich verscherzen

Es sind die ganz normalen Menschen
Sie leben gestern, heute, morgen
Mit ihren ganz normalen Ängsten
Mit ihren Fehlern, ihren Sorgen
Sie werden allzu gern belächelt
Sie werden häufig übersehen
Doch ohne sie geht überhaupt nichts
Um diese Menschen muss es gehen

Ganz normale Menschen (oh, oh, oh-oh, oh)
Ganz normale Menschen

Ohh Gott feiere ich ihn grad hart. Diese Rede. Ja schlimm ich feiere ihn für die scharfen Sprüche. Für die Wortschöpfungen. Aber er hat so verdammt recht. Und das obwohl ich gerade alte weiße Männer so über hab. Egal ob sie mir „Demokratie baut auf Misstrauen“ auf oder „Maja Göpel ist geil“ oder die Schuld an den Wutbürgern im Osten ist immer noch die DDR.Die Woche war sehr erhellend. Wenn sie mal mehr schwiegen würden.

Ich sage nicht was ich denke

Ich habe gründlich über einige Dinge nachgedacht. Und bin dabei zu Ergebnissen gekommen, die ich für plausibel halte, für belastbar, für erwähnenswert – oder ehrlich gesagt für richtig. Zumindest aber für diskutierbar. Wären da andere Leute, die bereit und in der Lage wären, zu diskutieren. so dass wir gemeinsam ausloten könnten, wer jetzt in welchem Punkt wie viel Recht hat. Damit uns das gemeinsam weiterbringt. Auf dem langen auf dem niemals endenden Weg zur Wahrheit.

Aber ich sage nicht was ich denke. Ich behalte es für mich. Ich sage etwas anderes als das was ich denke. Weil solche Leute, die diskutieren wollen und können, nicht mehr da sind. Es sind nur nach Leute da, die Hass und … (ich verstehs nicht) Mittelalterlichen, hetzerischen Phrasen verfallen. Sie halten sich für im Besitz der absoluten Wahrheit, was sie zu lächerlichen aber brandgefährlichen Idioten macht. Denn sie sind willens jede und jedem mit ihrer Hexenjagd zu vernichten. Jeden der noch selbst denkt und selbst zweifelt und nicht mit ihrem pöbelhaften Irrsinn übereinstimmt. Nach und nach schüchtert dieser hirntote Mob jeden ein, der noch denken kann. Immer mehr Menschen sagen nicht das was sie denken. Sie passen sich an an die lautesten Lügen an das gender-sprachschändende Identitätsgefasel. Den aber witzigsten woken Hirnverbrandheiten oder sie schweigen. So sieht es dann aus. Das Ende der Aufklärung. Der Exitus des Experiments Demokratie. Der Triumph totalitärer faschistuider Faketechnik der Werbetod des Geistes der nuklearen Hüter der Vernunft aus der es kein Entrinne gibt. Am Anfang war Tohu am Ende ist Wabohu. Endstation. Alles Aussteigen aus dem Wahnsinn und ein bisschen Beeilung bitte. Wenn euch euer ganz normales Leben lieb ist.

Heinz Rudolf Kunze

Auch wenn man ihm lauscht. Die Emotionen, die sich aufladen. Emotionale Unfreiheit. Die Spaltung. Die Dinge die nicht sein müssen. All das systemische Denken, was hier ausgeschaltet wird. Was sich weigert hinzusehen. Anzuerkennen dass es eine Welt außerhalb der eigene Gruppe gibt. Anzuerkennen, dass man mit denen eng zusammenarbeitet, die eben diese Rigorosität an den Tag legen. Anzuerkennen, dass man selbst Teil derer ist, die spalten.

Transformation wie so viele progressive/ woke Themen für eine bestimmte elitäre Gruppe fern der Lebensrealität der Mehrheit dafür mit viel moralischer Wertung und härte vorgetragen. Eine Gruppe die mich übrigens so abstößt, dass ich irgendwann doch noch FDP wähle. Menschen mitnehmen, heißt nicht solange nix tun bis man den letzten eingesammelt hat. Aber es heißt nicht gegen sie zu arbeiten. Wer alles will hat am Ende nix. Und die Wand ist immer noch da, egal wie oft man …

Ein Handbuch für Weltverbesserer also quasi, das aber kein Besserwisser sein will, weil es erkannt hat, dass es das nicht sein darf. Aber nur deshalb keins sein will. Nicht weil es verstanden hätte. Sondern nur strategisch gedacht. Menschen sind halt doch nur die Modelliermasse der Weltverbesserer. Um die Welt zu verbessern, braucht es keine Empathie. Es braucht Strategie. Gut lieber so als gar nicht. Aber es wird nicht werden. Es ist zu leise in dieser lauten Welt. Und auch der Progressive Teil nicht mehr wirklich aufhaltbar. Mit all den Anheizern und in sich abgeschotteten Blasen in denen man sich selbst bewegt. Mit all den woken Themen die miteinander verheiratet werden müssen. Um dann am Ende den Applaus für Heinz Rudolf oder Dieter Nuhr zu erschaffen.

Und nein, sie werden diese leisen Töne, die auch die eigene Bubble aufrufen mal anders zu diskutieren, nicht hören. Das wird nie die Runde machen. Die große virale. Da nehmen wir lieber den Seitenhieb Richtung FDP oder die kreative Wortschöpfung. Und nieder mit den alten weißen Männern.

Da gibts so ne Bias, die sagt dass man an Dingen in die man viel investiert hat, sehr stark hängt und nicht aufgeben will. Sunk Cost Fallacy schimpft sich das ganze. Weißt Fritze, ich frag mich ja, ob das der Grund war/ ist, die Schublade nicht auf, rein damit, und zu zu machen. Das Innere, das sich geweigert hat immer. Dann hat das auch keine tieferen Sinn sondern is nur das Steinzeithirn. Ich war arbeitstechnsich auch nie ein Freund davon Energie in etwas zu stecken, was dann weggeworfen wird. Sag mal Fritze, hab ich dir schon erzählt, dass ich meine Diplomarbeit bei BWM damals selbst gekillt habe, da ich ausgerechnet hatte, dass das keinen Sinn ergibt und die Berater sich vertan hatten? Hat unser komplettes Team gekillt, das extra für das Projekt gebaut wurde und ich glaub da war jemand der hätte mich lieber gekillt. Nun ja, ich hab halt schon immer systemisch gedacht. Obacht Fritze, nicht aus dem Netz fallen. Im Ernst ich sag heute immer noch gern „Braucht ihr das wirklich? Wehe das nutzt nachher keiner. Steh ich nicht drauf“

Wie dem auch sei, dieses Bias Ding da, das betrifft uns alle. Genau wie es noch zig andere gibt, die dafür sorgen, dass wir an bestimmten Überzeugungen kleben. Apropos Bias. Spillover-Effekte erscheint mir unpassend für die Twittereffekte. Das sollten andere Bias sein. Aber meine Doktorarbeit zu dem Thema ist erst am Anfang.

Manchmal, wenn ich mir das alles schön reden will, verfluche ich sie, die Uwes, die Haralds und ganz Rome und Berlin Mitte. Die alten weißen Männer, die anhimmeln. Und die Hippies und die konservative Dorfgemeinschaft und wer mir grad noch so einfällt, der schuld sein kann. Was alles unser Steinzeithirn prägt. Jenseits von hinterfragen. Aber das dient am Ende nur dazu, weiter zu glauben und die Flamme nicht ausgehen zu lassen. Ein Glimmen aufrechterhalten. Und irgendwie ist es aber auch ein komischer Schutzschirm für andere. Und mit Schutzschirm ist die Schublade zu klein.

Manchmal starre ich auf den Bildschirm. Manchmal starrte ich nur raus dem Fenster. Schaue in die Leere. Die Leere in mir. Da ist keine Traurigkeit mehr. Da ist keine Wut mehr. Recycelte Sätze, recycelte Hoffnungen. Das Wissen dass es vergebliche Hoffnungen sind. Ja „Format C:“ wäre ne tolle Sache. Aber Menschen haben kein „Format C:“ Das menschliche Betriebssystem kann man nicht umprogrammieren. Und muss es auch nicht in dem Maße, dass kein Stein auf dem anderen bleibt.

An manchen Sachen knabbere ich hart. Vor allem an den Themen die man aus Selbstschutz, nicht mal verstehen will. Ich knabbere an dem Bild eines Menschen, das ich mir gemalt hatte. Wie wir es immer tun. Wir füllen auf was wir nicht wissen. Haben Wünsche, Träume, Erwartungen. Glauben.

Wenn am Ende nur schöne Worte bleiben aus einer fernen Welt. Und verletzte Gefühle. Hass. Wut. Und damit meine ich nicht mal uns beide. Sondern die immer wiederkehrenden Erziehungsmaßnamen, die sorry nein nicht objektiv getrieben sind evidenzbasiert. Nein.

„Der Menschen kann in seinem Denken nicht frei sein, wenn er nicht auch emotional frei ist.“

Erich Fromm

Wenn das Ich dem Wir im Wege steht. MeToo. Oder das Wir dem Ich. Die Gruppenzugehörigkeit vorgetragen mit Seitenhieben. Ja ja nieder mit denen die auch mal mit Moral und Modellen von der Politik handeln gefordert haben. Nein machen ja sonst keine Wissenschaftler. Nieder mit den Rudis und Jans dieser Welt. Die Sebastians und Archims freuts. Als ob die besser wären. Aber mit wem sie gruselig umgehen sieht man nicht. Fußnägel. Sie kringeln sich.

Ich kann mir vieles erklären und einordnen. Und genauso kann ich auch einordnen, wie Menschen reagieren, die nur Einzelaussagen kennen. Nicht dabei waren. Nicht mitlesen. Oder gar grundsätzlich Teil der gleichen Gruppe sind. Aber es befriedigt nicht.

Es ist so ruhig. Kein abfeiern. Weil keine für Empörung verwertbaren Aussagen. Weder in die eine noch in die andere Richtung.

Die Welt wird sich weiterdrehen und das Spiel so weitergehen. So wie bisher. Ein Interview hier. Eine Veranstaltung dort. Ein markanter Spruch rausgepfeffert und durch Twitter gejagt. Positiv wie negativ. Die Privatkriege bleiben. Die Gruppen. Die direkte Konfrontation und das Unterschwellige. Das Thema Wissenschaft und Aktivismus sich weiter im Kreis drehen bis Wissenschaft eh kein Standing mehr hat. Emotionen bleiben und Selbstreflexion dem Selbstschutz unterlegen sein. Betriebssystem erneuern und ehrlich machen, müssen immer nur die anderen. Ich weiß. Und mitnahmen müssen dann auch andere oder so.

Die Welt wird derweil geändert von den ganz normale Menschen!

Ich glaub ich muss morgen nachjustieren. Jetzt tanzen wir mal – einbeinig

Der Tag ist vorbei
Alles ist gesagt
Und diskutiert
Oder nachgefragt
Und es wird Zeit für andere Töne

Wir haben genug
Von Theorie
Denn sie allein
Löst Probleme nie
Und jetzt brauchen wir das Schönean

Denn die Kämpfe, die wir haben
Dürfen die Liebe nicht verderben
Lass uns tanzen in der Asche
Aus der wir kommen, zu der wir werden

Die Nacht hat begonnen
Deshalb ziehen wir
Raus aus dem Tor
Tanzen gerne hier
Um einen guten Geist zu ehren

Wir müssen nicht wissen
Wer du bist
Wenn nur dein Anliegen
Friedlich ist
Und nein, wir wollen dich nicht bekehren

Denn die Kämpfe, die wir haben
Dürfen die Liebe nicht verderben
Lass uns tanzen in der Asche
Aus der wir kommen, zu der wir werden

Aschetanz – Max Prosa

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