Die neue Generation – der moderne Antisemit oder das Recht zu vergessen

Eigentlich wollte ich das Thema Grass, Antisemetimus, Israel-Iran-Krieg mal ein paar Tage auf Eis legen. Eigentlich …aber dann stieß ich doch wieder auf interessante Dinge, die mich zum nachdenken bringen.

Israel von Israel aus gesehen – Das Recht zu vergessen

Nachfolgend Zitate aus Das Recht zu vergessen – Avi Ben-Chamo. Der Designer und Musiker stammt aus Haifa und lebt seit 2011 in Berlin. Ich kann nur jedem empfehlen diesen Artikel in voller Länge zu lesen. Ein ganz normaler Mensch, kein Politiker, kein Journalist. Meine Generation. Nur auf der „anderen Seite“. Und schon mal auf Neudeutsch: FETTER RESPEKT für diese Worte. Für den Mut eine solche Ansicht öffentlich zu vertreten.

„Wir sind Gedächtnis-Agenten, deren Aufgabe es ist, den Rest der Welt zu jeder Zeit – sei es Smalltalk, Tischgespräch oder eine große Diskussionrunde – daran zu erinnern, was den Juden passiert ist; im Holocaust oder in den Kriegen, oder einfach daran, dass alle Welt die Juden hasst. Wenn sie es nicht wissen sollten, ich bin da, um sie daran zu erinnern.“

„Wir müssen uns erinnern – ohne Frage -, aber wir müssen auch lernen zu vergessen. Wir müssen lernen, Kritik von anderen zu ertragen, ohne sofort davon auszugehen, dass sie uns schaden wollen. Wir sollten lernen, Menschen wie Günter Grass reden zu lassen, ohne ein Drama daraus zu machen. Denn das Drama ist manchmal gefährlicher als es die Worte sind. „

„Wenn ein Israeli Israel verlässt, nennt man ihn einen Verräter, der sein Land den Feinden überlässt. Wenn ein Israeli Israel kritisiert, wird er mit Worten gesteinigt. Zwei Rechte nimmt Israels Demokratie ihren Bürgern: das Recht zu kritisieren und das Recht zu vergessen.“

„Doch es sieht so aus, dass Israels Regierende, wenn sie in naher Zukunft nichts an diesem israelischen Modell der kollektiven Erinnerung ändern, bald allein gelassen werden mit ihrem Gedenken. Wenn diese Kultur des Überlebens nicht zu einer Kultur des Lebens wird, wenn die Politik keinen Platz findet für den Wunsch der jungen Israelis nach einer Identität der Freiheit, dann wird mein Land seine Töchter und Söhne nicht an die Kriege verlieren, sondern an die Diaspora.

Ich finde es auf der eine Seite sehr überraschend, aber auf der anderen Seite auch nicht, dass auch junge Israelis die Vergangenheit und den Zwang sich daran zu erinnern zu müssen und somit quasi auch in der Vergangenheit leben zu müssen, als Last empfinden.  Der Tod und das Leiden seines eigenen Volkes und die Angst auf Wiederholung als ewiger Begleiter. Als Last auf den Schultern. Die einen daran hindert heute und jetzt leben zu können.

Bis jetzt hatte ich die ewige Antisemitismuskeule und das ewige Erinnern an die Grausamkeiten des Holocaust eher  als Gefahr für Israel von außen empfunden. Dass die Welt dies nicht mehr lange mitmacht. Die Stimmen gibt es ja überall und nicht nur in Deutschland, die lauter werden und das Totschlagen jeder Kritik mit dem Wort Antisemit nicht mehr mitmachen wollen. Ich hatte sogar bei einigen Beiträgen, die ich fand,  das Gefühl das sich daraus wirklich eine sehr negative Meinung über Israel bis hin zu „sie wollen die Weltherrschaft an sich reißen“ entwickelt. Mal ganz zu schweigen, dass die aktuelle Diskussion in Deutschland dazu führt, dass einige dazu tendieren, den Iran zu verharmlosen. Nur weil man die Objektivität verliert. Weil man der Antisemitismuskeule leid ist, stellt man sich aus Prinzip auf die andere Seite. Und man findet ja auch schnell Argumente, dass der Iran missverstanden wird bzw. Aussagen manipuliert werden. Das reicht ja dann schon. … Jedenfalls hatte/ habe ich das Gefühl, dass wenn man nicht aufhört mit der Antisemitismuskeule unüberlegt um sich zu schlagen, dass dann wirklich eine Art neuer Antisemitismus entsteht. Wenn es nicht  schon eine zarte Pflanze ist, die gerade kräftig gedüngt und gewässert wird. Einfach nur aus der Tatsache, dass man sich unterdrückt fühlt, eingeschränkt in der Meinungsfreiheit, missverstanden und als etwas abgestempelt, was man nicht ist.  …

Anscheinend aber verliert Israel durch diese Politik/ Kultur auch im eigenen Land  seine eigene Zukunft. Die junge Generation trägt diese Politik nicht mehr mit. Und nicht nur das, sie verlässt das Land in Richtung „antisemitisches Feindesland“. Sie will frei leben.

Dies gibt mir Hoffnung. Nein ich meine nicht, dass sich Israel so quasi selbst von der Landkarte fegt. Nein, ich meine die Tatsache, dass wir gemeinsam neu anfangen können. Ohne ewige Feindbilder, ohne die Last der Vergangenheit. Gemeinsam leben heute und in Zukunft. In Guten und in schlechten Zeiten. Gemeinsam Lachen, gemeinsam Diskutieren/ Streiten, gemeinsam kämpfen weil wir es wollen und überzeugt davon sind und nicht weil wir müssen. Eine neue Generation … in Israel, Deutschland und überall auf der Welt mit dem Blick für heute und die Zukunft ohne die Vergangenheit ganz aus den Augen zu verlieren.

Der moderne, nach vorn schauende Antisemit

Und jetzt der Gegenpart: Henryk M. BroderGrass macht die Antisemiten endlich modern

„Nur die Deutschen, die das Pech hatten, in der „sowjetisch besetzten Zone“ zu leben, mussten dafür büßen, dass Deutschland den Krieg nicht nur angefangen, sondern auch verloren hatte.“

„Die „German Angst“, inzwischen ein Begriff wie „Autobahn“ und „Kindergarten“, könnte ihre Ursache in der ausgebliebenen Strafe beziehungsweise in dem Verlangen nach Bestrafung haben. Vieles spricht dafür, dass die Deutschen ständig damit rechnen, vom Schicksal eingeholt zu werden.“

„Wie jedes soziale Phänomen geht auch der Antisemitismus mit der Zeit, mutiert und passt sich seiner jeweiligen Umgebung an. Man kann ihn als Krankheit, als abweichendes Verhalten oder auch als den Normalfall des Umgangs von Nichtjuden mit Juden bezeichnen. Allerdings, nicht überall, wo Antisemitismus drin steckt, steht auch Antisemitismus drauf. Im Zeitalter der politischen Korrektheit hört sich „Israelkritik“ viel besser an.“

„Trotz solcher Aussetzer kommt Grass das Verdienst zu, die Antisemitismus-Debatte auf den neuesten Stand gebracht zu haben. Nur bornierte, rückwärtsgewandte Deppen wie David Irving, Horst Mahler oder Bischof Richard Williamson leugnen den Holocaust. Der moderne, nach vorn schauende Antisemit macht ihn zur Grundlage seiner Argumentation – gegen die Juden, die aus ihrer eigenen Geschichte nichts gelernt haben und im Begriffe sind, die Nazis zu übertreffen.

Hieß es früher „Die Juden sind unser Unglück!“, so wird es ab heute „Israel ist unser Unglück!“ heißen. Jetzt fehlt nur noch ein Update für „Juda verrecke!“ 

… den Rest erspar ich mir mal, wie auch die anderen 10000 ähnlich gelagerten Artikel der Welt. Noch bornierter geht es eigentlich nicht. Was soll das? … Ach eigentlich möchte ich nichts mehr dazu sagen. Außer, was für ein Glück, dass ich als Ossi meine Schuld am Zweiten Weltkrieg ja bezahlt habe.

Die Hoffnung auf Frieden, Akzeptanz, normalen Umgang miteinander ohne die Vergangenheit aber zu vergessen liegt in  jungen Generation. Die Welt, die Ansichten und die Menschen ändern sich. Zum Glück!

I’m a German, but I’m not guilty and not an anti-Semite

After all the discussions during the last days I come more and more to the conclusion that if there should be a real new anti-Semitism, then it is fed with the taboo of criticizing Israel …

I don’t agree with all words of Günther Grass poem (Günther Grass –  Was gesagt werden muss), but …

Warum schweige ich, verschweige zu lange,
was offensichtlich ist und in Planspielen
geübt wurde, an deren Ende als Überlebende
wir allenfalls Fußnoten sind. […]

Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Lüge
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
sobald er mißachtet wird;
das Verdikt „Antisemitismus“ ist geläufig. […]

Warum aber schwieg ich bislang?
Weil ich meinte, meine Herkunft,
die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,
verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit
dem Land Israel, dem ich verbunden bin
und bleiben will, zuzumuten. […]

Und zugegeben: ich schweige nicht mehr,
weil ich der Heuchelei des Westens
überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,
es mögen sich viele vom Schweigen befreien,
den Verursacher der erkennbaren Gefahr
zum Verzicht auf Gewalt auffordern und
gleichfalls darauf bestehen,
daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle
des israelischen atomaren Potentials
und der iranischen Atomanlagen
durch eine internationale Instanz
von den Regierungen beider Länder zugelassen wird. […]

What will happen, if Israel will start a war against Iran? I don’t want to think about it. I don’t want to imagine. I’m quite sure that the calculation of the US army and the Israeli army are not realistic. And the question is what the next step/ reaction will be. How will the Iran react? What will be the answer? Is this then not a justification for hatred of Israel? Does he need hate speech anymore, when he can exhibit dead persons? And all the other nations? A third world war?  I’m not guilty for that what happened in the second world war. I can not change the past. I can not change what happened 60 years ago. I’m 34. I’m only guilty for that what I did, do and will do. But if I am silent now, then I’m guilty for that what will happen in the future. Then I will have blood on my hands.

I hate it, that we Germans still feel guilty for something that the most of us only know from books. That we are born with a Nazi stigma. That we all have to pay for the atrocity of our ancestors. And that also includes, that we have to accept all what Israel does or wants to do. We have to support Israel, always . We have to be silent, even if we don’t agree. A German can not criticize a Jew. No, that’s a mortal sin. And if you do it in public your are a anti-Semite – a Nazi – a Hitler follower.  The real topic doesn’t matter.  If you are a famous person, you can only lose. Lose everything.

And Grass poem. Nobody in the German public discuss the the real topic. No, the media and famous people – that come out from theirs dark holes –  just scream anti-Semite – Nazi. But a lot normal people (not Nazis) agree with Grass. They want to say:  Stop Israel! … And the reaction of Israels top-ranking politician (Grass is a persona non grata, a Nazi, he should give back the Nobel prize) isn’t helpful. And it is not helpful for the nation Israel with freedom of opinion, where the topic war against Iran is discussed intensely. And thank god, that there are some Israeli journalist that talk to the German press and criticize the reaction. Like me they don’t agree with every word of Grass, but they agree, that the topic should be discussed – everywhere – in Israel, Germany and all over the world.

The dark chapter of the German history also includes the questions why so many people were silent, when the Nazis killed millions of human beings (not only Jews, whats about Roma and Sinti? Homosexuals? Jehovah’s Witnesses?). And now it is our duty to be silent? This can’t be the right way.

I don’t want, that the Jewish people should be killed. I don’t hate Jewish people. Why should I do that? I haven’t any reason to do that. I don’t agree, that the Jews want to rule the world. That they control the USA and so on. That’s propaganda. I only criticize, that Israel wants to start a war against Iran. I criticize a war against a nation/man that I also fear. And I criticize that Israel owns atom bombs and don’t want to sign the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons. I don’t want to be silent. It must be possible to do that. I live in a free country with freedom of opinion. And if this is not allowed, then it feels like oppression. And then you start to think about who is your oppressor …

After all the discussions during the last days I come more and more to the conclusion that if there should be a real new anti-Semitism, then it is fed with the taboo of criticizing Israel …

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