Weniger Verständnis mehr Lösung wagen

Bevor ich mit Fromm loslege noch mal kurz eingeworfen: Das mit der Befriedung der Debatte um die Klimakleber wars dann wohl erstmal. Wir befinden uns in der Eskalationspirale. Und es is einfach irre. Ja wer mehrfach an irgendwelche Ventilen in Raffinerien rumdreht, darf sich nicht wundern, wenn morgens um fünf die Polizei vor der Tür steht. Was der Klimabubble da wieder draus macht ist dann hanebüchen. Mein Highlight war das Statement von Katja Diehl. Sinngemäß: „Ich habe Angst vor dem Bundesverkehrsminister, weil ich setze mich ja für die Verkehrswende ein. Und da heute die Wohnungen von ein paar Leuten durchsucht wurden, die mehrfach an irgendwelchen Ventilen in Raffinerien rumgespielt haben, habe ich Angst.“ Sinngemäß, weil das mit den Ventilen hat sie verschluckt. Schräger wirds heut nicht mehr hoffe ich. Ja der Volker wird jetzt seine Macht missbrauchen und dich einkassieren. Ohmm. Grundlos. Ohmmm.

Nein wir leben nicht in der DDR 2.0 oder dem Iran oder Russland. Aber wir leben immer noch in einem Rechtsstaat.

Und es geht bei den Ermittlungen bezüglich kriminelle Vereinigung eben nicht ums Festkleben und Essen werfen, sondern um wiederholte Aktionen die eben nicht gefahrlos sind. Oder kann jemand mit Gewissheit sagen, dass das Spielen an Ventilen in Raffinerien gefahrlos ist?

Man müsste sich dann aber wirklich mit dem konkreten Fall befassen und nicht auf eine Empörungswelle aufspringen, die eben genau das nicht tut, sondern Geschichten erfindet. Ich kann natürlich auch mit Whataboutismen um mich werfen wie „ja aber die Rechten“. Ich versuchs noch mal zu erläutern, es geht hier nicht um Terror etc. sondern einfach eine kriminelle Vereinigung. Ob man das ist, wenn man sich nicht nur festklebt, sondern regelmäßig Ventile von Raffinerien betätigt bzw. betätigen will, mögen die entsprechenden Instanzen bewerten. Das nennt man Demokratie/ Rechtsstaat. Ich muss gestehen, dann fallen sogar Aussagen, dann zweifele ich dann auch sehr am Demokratieverständnis von Menschen, die öffentliche Macht besitzen. Dann frage ich mich schon, was in unserem Land los ist. Aber vielleicht basiert Demokratie doch auf Misstrauen. Da war was.

Worum es konkret bei der Polizeiaktion ging, interessiert den Klimabubble nicht. Der dreht sich gegenseitig hoch, wie man das in Gruppen halt macht. Inkl. Verschwörungstheorien. Die gehören übrigens nicht exklusiv den Querdenkern. Ich zitiere deshalb noch mal das Ding mit dem Gruppendenken, weil betrifft ja auch Fromm irgendwie. Ich finds übrigens gruselig da zuzugucken. Twitter Terrarium und so.

Der Psychologe Janis Irving führte den Begriff „groupthink“ 1972 mit seinem Buch: „Victims of groupthink“ ein. Mit ihm wird die vollständige Assimilation aller Einzelmeinungen innerhalb der Gruppe zu einer gemeinsamen Gruppenmeinung bezeichnet. Folge des Gruppendenkens sind irrationale Entscheidungen, die in der Regel zu Katastrophen führen.

Symptome

  • Unverletzlichkeitsillusion: Offensichtliche Gefahren werden ignoriert, selbst hohe Risiken werden in Kauf genommen.
  • Es gibt keine Notfallpläne.
  • Kollektive Verdrängung: Die Gruppenmitglieder wehren durch Abwertung und objektiv falsche Erklärungen Gegenmeinungen ab.
  • Illusion der richtigen Sache: Die Gruppenmitglieder sind der festen Überzeugung, im Recht zu sein und ethisch korrekt zu handeln.
  • Schaffung von Feindbildern: Die Gruppe konstruiert sich aus externen Personen (z.B. Wettbewerbern) Feindbilder.
  • Konformitätsdruck: Jede abweichende Meinung innerhalb der Gruppe wird bereits im Entstehen massiv unterdrückt.
  • Selbstzensur: Die Gruppenmitglieder unterdrücken selbst die eigene, abweichende Meinung.
  • Illusion der Einstimmigkeit: Die Gruppenmitglieder glauben, dass alle mit der Gruppenentscheidung übereinstimmen. Schweigen gilt als Zustimmung.
  • Zensoren („mindguards“) entstehen: Einige starke Gruppenmitglieder übernehmen die Aufgabe, die Gruppe von verunsichernden Informationen von außen zu „schützen“.

https://www.projektmagazin.de/glossarterm/gruppendenken

Was wohl Fromm dazu sagen würde. Hust. Apropos, der hätte das auch lesen sollen, was ich da zusammengesucht hatte zum Thema Gruppen. Wobei da die positiven Sachen fehlen, die am Ende der Grund sind, für einiges was Fromm versucht zu erklären. Warum wir bereit sind uns unterzuordnen.

Und bei allem Verständnis dafür, dass ein Ohnmachtsgefühl in uns verankert ist, wenn wir in Krisensituationen einer Kraft ausgesetzt sind, der wir persönlich nichts entgegenzusetzen haben. Es ist nicht die erste Bewegung, die auf diese Art versucht ihre Lösungen gesellschaftlich durchzubekommen. Aber vielleicht ist das auch das Problem. Einige haben damals ja auch schon mitgemacht. Jedenfalls sind Aktionen die seit einem Jahr laufen (wenn wir mal XR außen vorlassen) und immer mehr gesteigert werden, sind keine Kurzschlussreaktion aus Verzweiflung und Ohnmacht. Das ist bewusstes Mittel. Gesteuert auch von Leuten mit jahrelanger Erfahrung in Protesten. Da gibs sogar Wissenschaften zu. Ein Jahr ist übrigens sehr viel Raum zwischen Reiz und Reaktion.

Frage mich, ob ich mich bei Maja vor die Tür kleben sollte und sie mit Essen bewerfen, um gehört zu werden. Sie sollte ja zumindest genuines Verständnis dafür haben. Für meine Ohnmacht und Verzweiflung. Etwas Sarkasmus muss. Man entschuldigt bitte meine Entgleisung.

Es gibt übrigens ganz nette neue differenzierte Betrachtungen der Thematik. Jenseits moralischer Wut (Empörung) und Rechtfertigung/ Verständnis. Katja hat Sven befragt, der ja bekanntlicher Maßen sowohl eine eigenen radikale Geschichte hat als auch die aktuellen Entwicklungen skeptisch aber wissenschaftlich betrachtet.

Auch sehr informativ mit verschiedenen Blickwinkeln folgende Sendung vom HR. Zumal man lernt, dass man nach der Erfüllung der zwei aktuellen Forderungen Tempolimit und 9 Euroticket nicht aufhören wird, sondern eine Pause machen wird.

Wenn man sich bei allem Verständnis so empören muss. Wenn die Emotionen so hoch kommen. Wenn man sich so reinsteigert in Aussagen einzelner Politiker und diese dann auch noch verdreht wiedergibt. Dann schweißt dieses gemeinsame Empören Gruppen zwar irre zusammen, lässt aber die Bodenhaftung verlieren. Oder man is selbst so sehr verzahnt im Herzen mit Thema/ Leuten, dass man nicht anders kann. Und Transformationsforschung doch nur Illusion is.

Dass RAF Vergleiche nicht gut kommen, okay. Man beachte aber weiterhin, dass der erste der von einer grünen RAF sprach, jemand ist, der aus dem Klima-Protest-Spektrum kommt. Und man betrachte Svens Aussagen, der diese radikale Welt von inne kennt. Die Spirale dreht sich. Im Zweifel schnell zu weit. Realität ist eben mehr als die eigene Perspektive auf Dinge und die immer gleichen Feindbilder.

Und nein, es ist kein demokratischer Weg und schon gar kein strukturelles Problem, wenn die Politiker in einer repräsentativen Demokratie nicht jede Forderung von Bewegungen/ Aktivisten umsetzen. Das strukturelle Problem ist eher, was man den Aktivisten in den Kopf gepflanzt hat. Welche Geschichten man erzählt. Welche „Wissenschaften“. Nicht nur den Aktivisten auch verzweifelten Menschen. Klima an und aus bei 1,5 Grad und Tempolimit. Und Ressourcenkriege und und und. Drama. Ja angst und Drama gehören auch zum Klimathema. Auch bewusst eingesetzt. Aber das schafft auch verzweifelte Menschen, die bereitwillig denen Folge Leisten, die Hoffnung versprechen.

Politik darf sich nicht erpressen lassen. Der Weg zur Hölle. Man hat jetzt schon Trittbrettfahrer etc. Und Gerichte entscheiden darüber, ob Recht eingehalten wird. Nicht Selbstjustiz. Und der Zweck heiligt immer noch keine Mittel und das Problem ist immer noch kein Nagel.

Und nein ich habe immer noch kein Verständnis für Aktionen, die am Ende Aufmerksamkeit, Energie, Zustimmung abziehen von Lösungen. Und auch das darf ich in den Raum stellen, wenn ich wirklich Interesse an Lösungen habe. Und noch weniger Verständnis habe ich für Wissenschaft, die das unterstützt. Sie werden nicht aufhören, wenn man sie nicht aufhält. Und deshalb gibt es auch nicht die gute und die bösen. Es werden alle Schuld sein, wenn wir den Abhang hinuntergleiten. Ich nenne es Klimagerechtigkeit.

Aber ich habe Mitgefühl für Menschen, die sich instrumentalisieren lassen. Es geht viel zu leicht. Aber am Ende sind sie frei in ihrer Entscheidung.

Wir hatten alle ein schwere Kindheit und haben eine schlimme Zukunft. Wenn weiterhin nur noch Aufmerksamkeit und Empörung zählt. Diese Form der Auseinandersetzung könne wir gern verlieren.

Hast mich lang nicht mehr so angesehen
Hab viel zu oft versucht uns zu verstehen
Die Augen treffen sich, der Wein ist schon halb leer
Oh, ich weiß ganz genau was du grad denkst
Der Zug ist abgefahren die Zeit verschenkt
Fühlt sich so richtig an, doch ist so falsch

Und immer wenn es Zeit wird zu gehen
Vergess ich was mal war und bleibe stehen
Das Herz sagt bleib, der Kopf schreit geh

Herz über Kopf
Herz über Kopf

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