Vernünftige Traurigkeit

So und jetzt Fritze? Jetzt sitzen wir da. Den Kopf auf die Arme gestützt und starren ins Leere. Ich hab keine Motivation. Mein Dopaminkreislauf is kaputt. Mein Kopf ist leer. Mein Körper auch. Es ist kalt. Es ist grau. Es ist still. Nicht mal ein Spatz.

Mir ist kalt, ich würde gern die meine Gedanken und Gefühle schweifen lassen. Muss mich aber selbst kastrieren. Vernünftige Traurigkeit würde ich das nennen. Der Verstand, der versucht die Emotionen zu sortieren und zu beschreiben und einzufangen und die Emotionen, die ihren Platz einfordern. Bis beide nicht mehr können und wollen. Und Schwere bleibt. Gepaart mit einem „das muss so“.

Ich sollte mir Socken anziehen. Kalt an den Füßen. Mir is eh kalt. Der Hals kratzt. Die Nase schwergängig. Der Kopf zickt. Sich nass regnen zu lassen, war wohl nicht die cleverste Idee. So viel zum Thema Vernunft. Also schleiche ich heute durch die Gegend. Dem Wetter entsprechend gekleidet. Hauptsache ich bin an der frischen Luft. In der Hoffnung morgen nicht flach zu liegen.

Habe Nudeln mit Tomaten-Paprika-Pilz-Knoblauch-Chili-Ragout eingeläutet. Da würde ich ja abhauen, wenn ich ein Virus wäre.

/me schreibt Ingwer auf den Einkaufszettel.

Ich hüstele ja seit ein paar Tage. Dachte eher an Raucherhusten. Dank produktiver Mithilfe meiner Nachbary. Hab mir wohl eher was eingefangen. Vielleicht mach ich nen Schuss Hopfenlikör in den Tee.

Ich will was süßes. Ich hab PMS. Ohh da is noch ein Osterhase. Muss weg. Reste essen. Verfallsdatum und so. Hab übrigens in Norma heute schon Lebkuchen, Weihnachtsmänner etc. gefunden.

Meine Kerze ist ausgegangen.

Ich blättere die Spiegelbestseller durch. Lege meine Kopf schief. Noch schiefer je länger ich blättere. Aber bei „Ich denke, also bin ich… mir im Weg“ muss ich lachen und beglückwünsche die Dame für diesen Titel. Der Inhalt missfällt mir. Wieder so ein „denke positiv, dann wirst du Glücklich“ Ratgeber. Verfasst von einer Unternehmensberaterin. Aber der Titel is geil.

Die ganze Welt ist ein großer Marktplatz. Von Sehnsüchten und denen, die versprechen diese zu stillen. Oder Ängsten und denen, die dir versprechen sie dir zu nehmen.

Bei der Musik werde ich heute euch nur bedingt fündig. Und Twitter verstehe ich immer weniger. Sich unendlich verlieren in den immer wieder kehrenden Debatten, die am Ende nichts verändern. Außer einen selbst.

Ich kuschele mich ich meine durchgesessene Couch. Denke an meine Hals und die Wirkung von Oxytocin. Ich nenne es Selbstmitgefühl. Is a wissenschaftliches Konzept. Ernsthaft. Nicht nur Esokram. Is jetzt offiziell Wissenschaft.

Ich kriege das Lachen und die Traurigkeit nicht aus dem Kopf.

Morgen soll die Sonne wieder scheinen. Wir brauchen nen Plan Fritze. Irgendeinen. Aber nicht heute. Heute ist vernünftige Traurigkeit.

Nacht.

du hast versucht dich zu ändern
hast dir beine gestellt
nur ein einsames stolpern
gegen den rhythmus der welt
sind wir mal ehrlich
ist es stumpf und brutal
wir sind alle entbehrlich
unser streben banal

und jeder ist ein teil
von allem
was ihn ruiniert

du hast versucht es zu ändern
hast ihm fragen gestellt
nur ein einsames sandkorn
im getriebe der welt
du kennst den plan nicht
und dein bauch hält nie still
wie ein hunger der gar nicht
gestillt werden will

und einer saugt sich voll
mit leere
bis er implodiert

jeder ist ein teil
von allem
was ihn ruiniert

bis es dich verliert

du hast einen glauben verlorn‘
an das was uns trennt
und
du hast einen glauben verlorn‘
an gebiete und grenzen
du hast einen glauben verlorn‘
an das was uns hemmt
und
du hast einen glauben verlorn‘
du hast einen glauben verlorn‘
an die ewige angst und
du hast einen glauben verlorn‘
an das endlose stapeln
du hast einen glauben verlorn‘
weil du nicht glauben kannst
und

du nimmst eine hand voll geschichten
erzählst sie von vorn‘
schau, all das was dir den schlaf nimmt
es hat dich verlorn‘

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