Irgendwo stand ja, dass wenn man sich mit Autismus beschäftigt, man auch viel über sich selbst lernt. Kein Wunder bei der großen Suppenschüssel, aber ich würde man sagen, dass immer dann wenn man sich mit Persönlichkeitsstrukturen, Psychologie, Verhalten, sozialer Interaktion etc befasst, man auch irgendwo sich selbst reflektiert. Man is ja quasi das Bezugsobjekt. Man kennt ja eigentlich nur sich selbst wirklich. Jedenfalls gibt mir auch einiges zu denken. Weil irgendwie alles, was Auswirkung auf soziale Interaktion hat, jetzt unter Autismus läuft. Und Queer und Trans gleich mit. Weil man sich nicht mit den richtigen Rollenbildern identifizieren kann oder so. Aha. Ich massiere meine Schläfen.
Ich würde mich ja grundsätzlich als Introvertiert bezeichnen und extrovertiert werde ich auch nie werden. Wobei ich auch anders kann, wenn ich mich sicher fühle oder mir die Menschen drum rum egal sind / ich sie nicht kenne. Ich kann auch mit wildfremden im Zweifel eher ein Schwätzchen machen, als mit Leuten, wie mir wichtig sind, das Eis aber noch nicht gebrochen is.
Man könnte mich sicher auch als sozial ängstlich bezeichnen. Phobie wäre übertrieben. Aich wenn ich bestimmte Sachen gern umgehe. Aber Unsicherheit / Stress in doch einigen sozialen Situationen sind mir nicht fremd. Adrenalin, Alarmbereitschaft, Puls. Bei der letzten ärztliche Untersuchung in der Schule, an die ich mich erinnern kann, ich glaube 4. Klasse oder so, hat der Arzt reinschreiben lassen „leicht erregbar“. Ich möchte allerdings zu Protokoll geben, dass damit keine Wutausbrüche gemeint waren. Die habe ich grundsätzlich übersprungen. Ich kann aber schnell in eine zustand der Anspannung kommen, der dann durchaus auch lähmend wirken kann. Ich glaube schüchterne Menschen kennen das.
Als Ossi, dem es allein deshalb schon an Gestik, Mimik, sprachlicher Eloquenz mangelt (Schauspielunterricht war bei uns nicht im Lehrplan). In der Schule hatte ich jedoch das Glück, das man a) die Menschen kennt und b) ich hirntechnisch gut ausgestattet wurde von Mutter Natur. Meine mehr oder weniger aus dem Handgelenk geschüttelten Leistungen waren Sicherheit auch bei den Dingen, die man vortragen musste. Wobei ich weiß nicht so genau. Meine erste fünf auf dem Gymnasium (weiß gar nicht, ob ich da überhaupt noch mal einer hatte, egal) war schon so ne Kontrolle allein vorn an der Tafeln. Deutsch. Und ich und Deutsch waren nie so wirklich Freunde. Muss ich noch mal drüber sinnieren.
Meine Mutter zuckt mit lautem Huch zusammen, wenn ich China ein Sack Reis umfällt. Diese starke Schreckhaftigkeit, wird quasi extrovertiert ausgelebt. Unbeabsichtigt. Ich hab mir die Schreckhaftigkeit abtrainiert. Keine Ahnung wie aber ich erinnere mich, dass ich glaube sogar noch während des Studiums aber mindestens bis in die späte Schulzeit auch diese Schreckhaftigkeit hatte. Kann aber auch gut sein, dass ich das erst hier im Lärm der Stadt abgelegt habe. Vor allem der Großstadt München.
Als Kind war ich kein expliziter Einzelgänger. Bei uns hatte sich das alles von der Kinderkrippe an, alles automatisch gefunden. So echte Einzelgänger, die man nicht kompatibel waren, außer Zuzügler hatten wir glaube nicht. Jedenfalls hat sich das bei mir erst so in der Pubertät verändert. Ab dem Moment war die Welt der anderen aber auch nicht meine. Das hatte zum einen mit Schulwechseln zu tun und zum anderen, dass meine Hormone halt anders gepolt waren und ich mich damit zurecht finden mussten.
Während des Studiums hat ein Kommilitone mal zu mir gesagt, er mag keine Menschen, die einem nicht in die Augen gucken. Und ja stimmt, das mit dem Blickkontakt musste ich öfter in meinem Leben auch wieder bewusst antriggern. Unangenehm ist es mir dann, wenn ich in einer Lebensphase bin, in der ich grundsätzlich angespannt, unsicher, am straucheln bin. Was allgemein so ist, dass je entspannter man isst, auch das ganze soziale entspannter ist.
Ich kann auch beim Einkaufen zittern und Stress empfinden. Mit genug Routine verschwindet das dann aber auch wieder. Was ein allgemeines Muster ist. Vieles braucht Übung, um sicherer zu werden. Und wenn du manches Jahrelang nicht gemacht hast, musst du die Routine erst wieder neu einschwingen lassen.
Ich kann rot werden wie eine Leuchtboje und werde sauer, wenn man mir das nicht glaubt, nur weil man mich eher aus dem beruflichen Kontext kennt, wo ich mir eine gewisse Sicherheit erarbeitet habe. Sprich da wo ich grundsätzlich Kompetenz habe, kann ich den Laden auch „rocken“. Alles andere kann ganz schnell im Gegenteil enden. Und während ich in meinem ersten Job in einer kleine überschaubaren Firma mit 40/50 MA locker indirekte Führung übernommen habe und kein Mitarbeiter-Meeting vor mir sicher war (inhaltlich fundiert versteht sich), löst allein der Gedanke heute bei mir Panik aus. Sind ein paar Leute mehr.
Ich frage mich, warum man mir das auch absprechen muss. Ich verstehs nicht. Natürlich versuche ich wie andere auch, nicht zu zittern, nicht rot zu werden. Unsicherheit nicht zu zeigen. Und tues dennoch zu oft. Ich glaube die Evolution hat Unsicherheit nicht als Status-Objekt vorgesehen. Wenn man sich schon erklärt, wenn man sich schon mit Worten erklärt, warum muss man das leugnen, so tun als wäre dem nicht so? Als wäre das was man selbst über sein Leben weiß/ fühlt nicht da?
Telefonieren – außerhalb des beruflichen Kontextes – is die Hölle. Da gehe ich fast lieber persönlich vorbei. Keine Ahnung warum. Und ich kann mir xmal nen Plan machen, ich muss heute xyz anrufen. Es gibt immer nen Grund das zu verschieben. Außer ich trete mich in den Hintern. Ich kann mich beim reden auch verhaspeln und so schnell reden, dass ich mich selbst überhole. Wobei das früher schlimmer war und auch wieder abhängig ist vom inneren Gleichgewicht.
Und so weiter und so weiter. Und ja ich kann natürlich deshalb auch versumpfen. Wobei ich ja nicht Feundschaftslos bin. Wenn ich Menschen in meinem Leben lasse, dann bewusst und ganz. Oberflächlichkeiten kann ich nicht. Umarmungen kann ich auch nicht ab, außer wie Hannah so schön sagte von den „VIPs“ in meinem Leben. Früher bin ich auch zusammengezuckt wenn mir einer zu nah kam. Von Berührungen ganz zu schweigen. 20 Jahre Bahn und ÖPNV härten irgendwann ab. Das ist halt alles eine Frage der Übung bzw. wie mit den Angst Therapien, wenn man sich oft genug mit gewissen Dingen konfrontiert, dann tritt ein Gewöhnungseffekt ein. Zumindest bei mir. Geht auch in die andere Richtung.
Weniger Kaffee und nicht mehr rauchen is auch hilfreich.
Und nu?
So schlafen. Herr Amsel hat mich um 5 Uhr geweckt heute früh. Und Schlaf wäre wichtig. Ich habs verlernt. Und ich fühle diesen Matsch in der Birne. Und der hilft nicht. Wenn man über seine Schatten springen will. Alles nicht so einfach.
PS: Wenn man sich sein Reich geschaffen hat. Sicherheit geschaffen hat. Ist es nicht gut, wenn dort Veränderung Einzug hält.
Viel!
Nacht!