Gott der Regenbogen

Es gibt davon sicher Tausende Posts. Das is kein Thema einer Person. Wie immer kann man aber an Majas Tweets und der Interaktion des Rests der Twitterwelt viel festmachen. Es ist so dieses Tor in diese eine Welt. Und alle Welten haben die gleichen Mechanismen. Innerlich und im Kampf gegen die anderen Welten. Egal, ich schweife mal wieder ab. Bevor ich überhaupt richtig angefangen habe.

2000 Likes für eine Fehlinterpretation, die aber ein Weltbild bedient. Eine moralische Einstellung. Ein Gruppendenken. Ein Kampf. Und weil das Hirn und alles um einen herum gerade darauf gepolt ist, ist jeder Regenbogen genau dieser eine Kampf. Auch wenn er ganz andere Hintergründe hat, lässt unser Hirn da grade keine andere Interpretation zu. Fußballer, die in Katar vom Regenbogen reden, können nur LGBTIQ-Rechte gemeint haben. Also das wo unsere Mannschaft mit ganz viel Moral ne Binde am Arm als Symbol tragen sollte. So Haltung zeigen in einem Land, wo auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Wenn die korrupte FIFA da ne WM machen musste. Wie kann man überhaupt. Apropos, wo sind wir betteln gegangen wegen Gas? Bin ja schon ruhig. Doppelmoral is ein anderes Thema.

Es geht um den Mannschaftskapitän der iranischen Fußballmannschaft. Der in einer Pressekonferenz seinen kämpfenden Landsleuten im Iran sagte, dass sie an ihrer Seite stehen. Und sein Beileid ausdrückte. Im Namen von Gott, dem Erschaffer der Regenbogen.

Wir wissen, dass Bekanntheit nicht schützt im Iran. Auch nicht seine Mannschaftskammereden, die geschlossen zur Hymne schwiegen. Wir wissen nicht, was mit ihnen geschehen wird. Mit ihren Familien. Sie wären nicht die ersten an denen man ein Exempel statuiert. Ich habe Respekt davor. Egal wie sie sich zuvor verhalten haben. Es ist nicht einfach seine Endlichkeit zu riskieren.

«Im Namen des Gottes der Regenbogen» sind Worte, die stammen von keinem Fußballer im Original. Sie stammen von einem 10jährigem Jungen. Dessen Leben genommen wurde. Ein Kind das in diesem Krieg gegen das eigene Volk sterben musste.

Ich verneige mich vor dir Kian. Und wenn ich könnte, würde ich mein Leben dir geben. Ich werde den Tod von Kindern nie akzeptieren können. Das ist nicht, was es in einer Welt geben sollte.

Es ist nicht das erste Kind das sterben musste. Jasmin schickt sie mir jeden Tag in die Timeline. Lang lang ist es her, da drückte ich den Folgen Knopf. Bei Jasmin Tabatabai. Nie was gehört. Nie was gelesen. Bis die Revolution begann. Mein Fenster in das Leid zu dem wir schweigen. Wir schauen zu. Es wird nicht mal wirklich berichtet. Auf Twitter bekommen zumindest die getöteten, die vergewaltigten, die verurteilten ein Gesicht. Frauen, junge Männer. Kinder. Ich weiß nicht mehr, ob ich auch Kian teilte. Zumindest der Regenbogen war mir entgangen. … ja hab ich. Aber ohne Regenbogen.

Unser Kopf vervollständigt. Baut ein Bild zusammen. Ein Fußballer spricht von Regenbögen. Und schon wissen wir worum es geht. Sagt unser Hirn mit seinem Eigenleben. Aber es ist eben eine andere Geschichte dahinter. Die es verdient hat geteilt zu werden. Aber man teilt nicht. Warum auch immer. Gebt den Toten ein Gesicht.

Und unser moralischer Fortschritt in diesen Zeiten, mit feministischer Außenpolitik und progressiver wertegeleiteter Wirtschaftspolitik besteht genau worin? Wo sind die Sanktionen. Wo ist die tägliche Empörung. Wo ist das Einreiseverbot für Angehörige des Regimes? Wo ist irgendwas was wirklich schmerzt. Deutschland ganz oben an der Spitze in Europa beim Handel mit dem Iran. Wandel durch Handel?

Kennst du das Regenbogenland Fritze? Diese Metapher für den Ort an den Verstorbene gehen. Gern Kindern erzählt, wenn ihre geliebten Tiere sterben. Ein Land voller Glück und Regenbögen. So schön dieser Ort auch ist. Es ist kein Ort wo 10jährigen Jungs sein sollten. 51 getötete Kinder. 416 getötete Menschen in Summe. Von denen man weiß. Ich versuche ihnen zumindest ein Gesicht zu geben. Wen Jasmin sie wieder vorbeispült. Sie dürfen nicht umsonst gestorben sein. Wenn es irgendwo einen Funken Gerechtigkeit auf der Welt gibt.

Wenn ich schon so weit weg diese Gedanken kaum ertragen kann, wie können das die Menschen vor Ort jeden Tag?

Und unsere kleine heile Welt. Glaubt die Welt verändern und verbessern zu müssen, wenn sie Haltung zeigt in Katar. Mit Regenbogenflagge für die Rechte Homosexueller. Das gleiche Lied das wir schon letztes Jahr mit Viktor Orban hatten. Jedes Sportereignis nur noch ein farbenprächtiger moralischer Appell an andere Kulturen. Das am Ende nichts ändert außer das Selbstbild als guter Mensch der moralisch überlegenen Westeuropäer. Mir ist entgangen, dass Viktor seine Meinung geändert hat. Wegen der Regenbogen-Allianz-Arrena.

Man poltert, man empört sich, man fordert. Haltung ein. Sportler werden zu politischen Aktivisten. Mittel zum Zweck. Für nichts. Aber Hauptsache jeder zeigt Haltung. Vor allem auf Twitter. Inkl. der Empörungsspirale. Und wir debattieren uns tot. In allen Medien. Wegen einer Armbinde. Und nebenan sterben Kinder. Während wir Gas vom Emir aus Katar kaufen. Ich erspare uns das Habeck Bild des tiefen Knicks. Ohne Armbinde. Die er von anderen aber einfordert. Und die Spirale dreht sich hoch und höher. Keine Haltung, kein Rückgrat. Und alles nur fürs Selbstbild. In einer Welt auf der Suche nach Sinn.

Und auch in der Ukraine ist die Welt immer noch die voller Leid und Tod. Und irgendwo in Afrika – lassen wir es. Ich wage übrigens die steile These, dass „Wandel durch Haltung anderer“ genauso fruchtbar ist wie „Wandel durch Handel“.

Ich will das alles nicht mehr. Ich will das alles nicht mehr ertragen müssen. Auch nicht diese täglichen Hetzjagden durch Twitter. Wenn jemand mal wieder was falsche gesagt, gepostet und wen falsches eingeladen hat. Oder wegen mir auch provoziert. Gegrillte Anna mit gerupftem Achim. Als Nachspeise frittierte Sandra und Markus. Ach Übrigens. Precht is rehabilitiert, da ers der Sandra schon vor 2 Jahren so richtig besorgt beim Klimawandelleugen.

Und überhaupt. Die Welt ist nur ne Illusion. Gibs auch ne Arte Doku zu Empathie? Und wie man Weltschmerz vergisst? Sich die Welt einfach schön denken. Muss doch irgendwie gehen.

Ach ne guck Fritze, Deutschland hat verloren. Es gibt doch einen Gott der Regenbogen.

Well I’m sitting alone
With my guitar slidly out of tune
And it’s a lovely night in June
And I try to write a song
With a happy slomo melody
Like I have tried so many times before
But I can’t really tell you, what is wrong
But all that comes out is another sad song
Maybe it’s because I slept too long
And nobody called me on my phone

Maybe I should hit town, have some fun
Do small-talk and drink till the morning sun
Maybe I should buy a brandnew dress
Or learn up a useful game like chess

No I can’t really tell you
What is wrong
But all that comes out is another sad song
Maybe it’s because I slept too long
And nobody called me on my phone

Maybe I should hit town have some fun
Do small-talk and drink till the morning sun
Maybe I should buy a brandnew dress
Or learn up a useful game like chess

Another lonely night, turns to day
With another hair of mine, turning grey
No I can’t really tell you
Just what is wrong, my dear
But still what comes out is
Another sad song

(Jasmin Tabatabai: „sentimentaler Scheiss!“)

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