Definiere moralischer Fortschritt – reloaded

Die Zeiten sind dunkel. Und in dunklen Zeiten gibt es angeblich moralischen Fortschritt. Sagt der Markus. Also der Markus G. Ja ich weiß Fritze, ich weiß. Vielleicht ist das der Grund warum ich mich so schwer tue, diesen zu finden.

Definiere moralischer Fortschritt, Silva im März 2022

Als ich diese Worte verfasste begann der Krieg in der Ukraine. Und ich lernte, dass Kriegszeiten einen viel über seine eigene Werte und die der anderen lehren. Kriege habe immer was mir Moral zu tun. Wie man sich positioniert. An wessen Seite man sich stellt. Welche Werte man damit auch transportiert. Und manchmal lernt man dabei auch wie sehr manche dann Kriege instrumentalisieren für ihre Zwecke. Oder wer welche Gräueltaten wie rechtfertigt. Welche Weltanschauung man vertritt. Für was man Partei ergreift und auch kämpft. Das gleiche gilt im Moment im Nahost-Konflikt auch.

Und ich habe mal wie damals mal wieder Emotionen. Seit heute früh bin ich durchgegrillt. Eigentlich hatte ich das ganze bisher recht gut verdrängt. Mir auch keine Bilder angeschaut. Anders als bei der Ukraine. Und die Prechtdebatte gestern hätte ich mir zwar sparen können. Würde gern mit ihm reden. Aber es war durchaus lehrreich. Und wie die Ultraothodoxen zum Diamanthandel gekommen sind, interessiert mich immer noch. Also im Detail, warum gerade diese Strömung. Und nein, ich hab nix gegen Finanzgeschäfte – help – und auch nix gegen Diamantenhandel. Klingt cool. Komme gern zum Praktikum. Aber wie bestimmte Dinge sich dann entwickelt haben und bis heute verfestigt haben, interessiert mich. Das fällt für mich genau in diese bunte Welt, wie ich sie mir vorstelle. „he is ja spannend, erzähl mir mehr“. Aber das nur am Rande. Wäre ein anderes Thema. Vielmehr gehts darum, was ich danach aufschnappte und was mich zum Nachdenken brachte und dann auch aufwühlte.

Und ja am Ende hat mich ausgerechnet der Jason Hickel doch allen Ernstes dazu gebracht, mich öffentlich zu positionieren. Weil der seit dem Terroranschlag der Hamas typisch für eine Linken eher den Fokus auf die Opfer auf Seiten der Palästinenser hat. Nicht eine Verurteilung der Gräueltaten. Aber eben zum Beispiel eine Grafik über die Opfer auf beiden Seiten seit 2008. Was aber nicht die brutalen Verbrechen an den Frauen, Kindern, Babys rechtfertigt. Das waren keine Kriegshandlungen. Kein Kampf um Land oder Ressourcen. Das was Blutrausch, der psychische Schmerzen verursachen sollte. Mit welchen Konsequenzen auch immer.

Und ja ich hab gelernt, in Kriegszeiten die Profile zu checken und dann etwas über die Menschen und ihre Sicht auf die Dinge bzw. Ideologie zu lernen. Und gestern retweetete er dann die UN

Und gleichzeitig durchzieht eine Empörungswelle das deutsche Twitter, weil UN und EU die humanitären Hilfen für Gaza aufstocken. Weil man ist sich 100% sicher, dass diese Hilfen dann von der Hamas für Waffenkäufe etc. genutzt werden. Dass Gelder der Entwicklungshilfen durchaus in falsche Hände geraten können oder auch sind, okay, aber sorry wir reden hier von humanitären Hilfen. Nahrung. Medikamente, Flüchtlingslager etc. Das nackte Überleben. Diese kollektive Empörerei, wie sie schon vor Tagen stattfand, als der UN-Menschenrechtsrat eine Schweigeminute für die Opfer in Gaza einlegte. Wo man dann gleich mal den Austritt Deutschlands gefordert hat. Und total ignoriert hat, dass Stunden zuvor eine Schweigeminute für die israelischen Opfer stattgefunden hat. Ja schlimme Empörung, mit schlimmen Worten. Und das Blut ist nicht mal trocken. Auf beiden Seiten. Aber man muss sich ja positionieren. Für eine Seite Partei ergreifen. Und dann dreht sich die Spirale hoch, bis sie gar nichts mehr merken, was sie da überhaupt fordern.

Und jetzt will dann auch die UN und die EU noch Hilfsgelder erhöhen. Empör. Und ja auch Wissenschaftler vorn weg, die es nicht mal auf die Reihe bekommen, den Unterschied zwischen Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe zu erkennen. Und ja, ich frage mich echt ob ein Fuest das verstanden hat. Und das is dann für mich der eigentliche Skandal.

Weil ja, was zur Hölle, is dann die Alternative? Die Zivilbevölkerung, die eh als lebendige Schutzschilder jeden Tag dem möglichen Tod ausgesetzt sind, einfach so sterben zu lassen? Humanitäre Hilfe einzustellen, damit man dann auf Kosten von 2 Millionen Menschen eine Terrororganisation ausbluten lassen kann, weil nicht, dass sie auch nur einen Euro zweckentfremdet … Okay ich verstehe. Fuck es sind Kinder. Die haben niemanden unterstützt oder gar gewählt. Ja sorry, muss so. Lasst sie alle sterben. Meine Emotionen schwanken zwischen Wut und Trauer.

Und da draußen sterben wieder Menschen. Das Blut ist frisch, es ist noch warm.

Und wenn du die Frage stellst, wie man sich dann vorstellt, wie man die Zivilbevölkerung ohne humanitäre Hilfen schützen kann, dann kommen sie alle nur daher und erklären dir, dass das halt alles nicht anders geht und die Hamas sonst damit Waffen baut. Alle. Und alle aber auch alle haben dann genau das aufgeschnappt. Irgendwo. Weil Entwicklungshilfe irgendwo in die falschen Hände geraten ist. Dieses Twitterding, das man nicht aufhalten kann. Genauso wie die Ausreden, die wir finden, warum das okay ist, die Opfer hinzunehmen, die ohne humanitäre Hilfe halt nicht weniger werden. Weil ja die Hamas is schuld. Ende der Debatte. Und ab dem Moment is man auch mit der eigenen Verantwortung und Menschlichkeit raus. Man kann ja nix dafür.

Ich bin entsetzt. Zu tiefst entsetzt. Gerade die, die ganz schnell an der Seite des Leids standen. Auch bei der Ukraine. Die sind dann ganz schnell bereit anderes Leid zu akzeptieren. Für notwendig zu erklären. Im Sinne des Guten, im Kampf gegen das böse. Das is schon mehr als moralische Lizenzierung. Und mal abgesehen von dem Beispiel hier, wie oft ich gehört habe „die Hamas is schuld“. Mit diesem einzigen Argument wird dann alles gerechtfertigt. Wirklich alles. Frage mich ob man so die eigene kognitive Dissonanz auflöst.

Und da draußen sterben wieder Menschen. Das Blut ist frisch, es ist noch warm.

Aber ich weigere mich inständig zu akzeptieren, dass das ein Einstellen von humanitärer Hilfe der einzige weg ist, um die Hamas nicht zu befüttern. Und ich weigere mich auch zu akzeptieren, dass Teile meiner Mitbürger so wenig Menschlichkeit Frauen und Kindern gegenüber zeigen wollen. Auch sie sind Opfer des Terrors, die sich das alles nicht ausgesucht haben. Oder darf man jetzt bei der Geburt wählen, wo man ausgespuckt wird in die Welt?

Und damit ich das richtig verstehe. Die die gern Klimaschutz in den globalen Süden auslagern wollen mit Hilfsgeldern und so, die wollen keine humanitäre Hilfe in Kriegsgebieten, weil könnte in die falschen Hände geraten. Das is doch voll logisch, Je nachdem wies gerade passt.

Und wo ich grad beim Schnellenbach durchscrolle und über den nächsten Maja Schnipsel vom Nurder Koch stolpere. Maja unter Drogen. Och Delta of Doom hat er rausgeschnitten. Naja jedem seine Prios. Zu der Veranstaltung wollte ich mich ja eh noch äußern. Aber ich bin grad schwer abgelenkt. Und muss dennoch dazu was sagen. Zu all den rosa Wolken die Maja und Maren da verbreiten. Dieses ewige „Lasst uns nur die richtigen Worte verwenden und die richtigen Geschichten erzählen, dann wir die Welt rosa“. Fuck nein, so einfach ist das eben nicht. Macht die Augen auf und schaut genau jetzt vor die „Tür“. Ja schaut in den nahen Osten und schaut auf unsere Straßen. Schaut auf die Debatten. Im nahen Osten will der eine den anderen vernichten. Und auf unseren Straßen finden sich dann Unterstützer der Terrororganisation, die tote Babys beklatschen. Und im dt. social media will die „pro Israel Fraktion“ nicht mal humanitäre Hilfe gewähren für die, die sich am wenigsten selbst helfen können.

Und ja da geht es jedes mal um Gruppen. Um Freund – Feind. Im Identitäten. Um Zugehörigkeiten. Um Weltbilder. Darum wie man sich die Welt erklärt. Um die richtige Haltung. Um Moral. Ja auch für die, die Opfer beklatschen oder hinnehmen, ist es so, dass man aus ihrer Sicht moralisch richtig handelt. Aber für mich ist beides das Gegenteil von moralischen Fortschritt. Zumal man es auch noch knallhart verteidigt, dass Israel Gaza Strom und Wasser abstellt. Und ohne das Eingreifen von Biden hätte man weder Wasser wieder angedreht noch mit der Bodenoffensive gewartet, bis die Zivilbevölkerungen weitestgehend in „Sicherheit“ ist. Was auch immer das heißt.

He aber kommt, wenn ihr jetzt mal voll die richtige Haltung an den Tag legt, euren alten Hass loslasst und einfach neue Geschichten erzählt, dann wird alles gut. Nein Menschen sind nicht frei von jedem modelierbar. Verflucht noch mal. Jedenfalls kann man jeden Tag live und in Farbe zugucken, dass die Welt eben nicht einfach mal schön geredet werden kann. Mit den richtigen Worten, Geschichten. Jede Gruppe mag zwar ihre Sicht auf die Welt verbreiten, aber das kriegst du eben nicht einfach mal eben mit ner anderen Erzählung verändert. Oder wenn du mal einfach ein Wort mit dem anderen ersetzt. Auch wenn wir vieles in unserem Kopf konstruieren, aber auch das ist am Ende komplexer als einfach mal mit nem Kalenderspruch geändert. Und ich könnte wieder Kahan einwerfen und und und.

Die Welt zeigt uns an diversen Stellen, teilweise auf grausamste Art und Weise, wie sehr Gruppen/ Identitäten/ Ideologien unser Leben beeinflussen. Und wir blubbeln was von „man muss nur die richtigen guten Geschichten erzählen und sich engagieren, dann lösen sich die Probleme der Welt in Luft auf“. Ach und immer schön dran denken, wenn wir die Worte ändern oder überhaupt erstmal die richtigen Worte verwenden, dann wird sowieso alles gut. Okay ich neige wie meine Mitmenschen auch zu Übertreibung. Um Dinge auf den Punkt zu bringen. Nicht mit dem Zaunpfahl zu winken, sondern mit dem Gartenzaun um mich zu werfen. Aber dieses magische Denken, macht mich irre. Klassisches Beispiel für linkes emm progressive Spektrum, dass sich die Selbstwirksamkeit erhält, indem es sich einredet, dass man man als Intellektueller mit Worten die Welt verändern kann. So wie man sich jahrelang eingeredet hat, dass alle die zu uns kommen nur gutes in sich tragen und nicht hinterfragt werden dürfen. Is man ja gleich Nazi und so. Und jetzt haben wir den Salat. Sichtbar. Und nicht nur für die, die schon länger mit Polizeischutz hier leben.

Und da draußen sterben wieder Menschen. Das Blut ist frisch, es ist noch warm.

Also zurück zum Krieg und bei all dem was da abgeht. Und was dann auch von uns Deutschen gefordert wird, da schere ich aus. Nein Robert, ich stehe nicht bedingungslos an Israels Seite. Bedingungslos heißt immer, dass man alles akzeptiert. Auch Gewalt, Verbrechen und Leid. Und genau da ziehe ich meine Grenze. Ich habe keine Verantwortung aus irgendeiner Historie raus, irgendeiner Identität, irgendeiner Schuld. Ich habe Verantwortung im heute, hier und jetzt. Und da geht es um meine Werte.

Nein, ich brauche keine Erbschuld, um dafür einzutreten, dass auf dt. Boden niemand Angst haben darf vor dem Hass anderer. Nein, ich brauche keine Erbschuld dafür, um den Aufruf zum Mord gegen Juden entscheiden entgegenzutreten. Mir erschließt sich diese dt. Verantwortung aus unserer Geschichte Null. Es sind Dinge die grundsätzlich nicht akzeptabel sind. Über die ich nicht mal ansatzweise diskutieren würde, weil sie selbstverständlich sind. Unabhängig davon, um wen es geht. Ich habe kein Problem damit, dass wir die Verbrechen der Hamas eindeutig benennen und verurteilen. Ich habe kein Problem damit, das wir weder dulden, dass diese Verbrechen bei uns gefeiert werden, noch dass wir über Antisemitismus hinwegsehen. Das haben wir zu lange getan. Ich habe kein Problem damit, dass wir hier zusammenstehen und jüdisches Leben schützen. Ich habe kein Problem damit, den angeblichen Freiheitskampf der Hamas als das zu benennen was es ist. Terror. Und da muss ich auch keine Aussagen von linksaußen lobpreisen.

Aber ich habe ein Problem damit, dass ich aufgrund von irgendeiner Erbschuld drüber hinwegsehen soll, dass der Racheakt – wie schon mehrfach in der Vergangenheit geschehen – oder eigentlich im Moment sogar Vernichtungskampf auch auf anderer Seite Hunderten/ Tausenden unschuldigen Opfern inkl. vieler Frauen und Kinder das Leben kosten wird. Und schon gekostet hat. Wenn die Zahlen stimmen. Nein bedingungslos ist nicht. Und schon gar nicht aufgrund von Erbschuld und Gruppenzugehörigkeit. Und diese sich hochschraubenden Haltungen auch auf dt. Seite stoßen mich ab. Aber Hauptsache alle haben sich wieder über Precht aufgeregt und Robert beklatscht. Menschlichkeit. Progressiver Fortschritt. Moralischer Fortschritt gar. Universelle Menschenrechte. Auf die wir dann pfeifen, wenn es die „richtigen“ trifft. Und UN schlimmer Verein. Und Krieg is halt grausam. Akzeptier das. Nein akzeptiere ich nicht. Und ich akzeptiere nicht, dass man humanitäre Katastrophen forciert. Es sind Kinder. Kein Kind hat es verdient für eine höhere Sache geopfert zu werden. Von keiner Seite.

Und nein Peter. Es sind Frauen und Kinder und kein Kanonenfutter im Kampf gegen das Böse. Feuer bekämpft man nicht mit Feuer. Und ja ich brauch nicht über die Grausamkeiten der Taten reden. Ich brauche nicht darüber reden was die Hamas Kindern/ Zivilisten/ Familien auf beiden Seite antut. Aber das ist kein Grund, dass einem alles egal sein darf.

Schlimme Sache so ein Krieg. Jedes Mal. Und schon wieder hilft auch nur wieder beten. Beten, dass es es nicht noch schlimmer kommt. Das kann übel enden. Und auch das ist eine Verantwortung, die auch Israel trägt. Bei allem Verständnis für die Situation. Und ganz ehrlich, auch wenn ich das Ziel verstehen kann, kann man eine Organisation wie die Hamas vernichten? Was ist aus dem IS geworden?

Und da draußen sterben wieder und immer noch Menschen. Das Blut ist frisch, es ist noch warm.

Kriege offenbaren immer so viele menschliche Abgründe, dass es kaum auszuhalten ist. Jeder verdammte Krieg neue. Und die aufgeklärte, moderne Welt ist in großen Teilen am Ende auch nur empathielose, kalt und egoistisch. Dieses moralischer Fortschritt-Ding is doch auch nur ne Illusion. Es geht rückwärts. Und Kooperation keine neue Realität. Oder doch nur anders als erwartet. Ach und China hat sich auch geäußert. Und irgendwie wird die Weltordnung sichtbar, die schon länger da ist. Wenn man Abstimmungen bei der UN verfolgt hat. Und die Welt hat er verschlafen. Und nein Veronika, wir brauchen deshalb keinen Wehrdienst. Weil nein, wenn es wirklich noch mal so weit kommt, dass wir uns verteidigen müssen oder andere abschrecken uns anzugreifen, dann ist die Welt eh verloren. Weil das kann dann entweder nur ein direkter Nachbar sein oder jemand der diese überwunden hat. Welche Welt wäre das dann?

Und wenn ich mir so eine Welt ausmale, dann brauche ich auch nicht mehr über Klima, Demographie, Artensterben, Strukturwandel, Rente etc. nachdenken. … Zumal … Ich bin aufgewachsen in einer Welt in der das Geräusch der Düsenjets über deinem Kopf zum Alltag gehörte. Ein Geräusch das wieder da und Kinder zusammenzucken lässt. Ich bin aufgewachsen in einer Welt in der Soldaten und Militärfahrzeuge zum Alltag gehörten (Wir hatte im die Ecke eine Militärstation) Ich bin aufgewachsen in einer Welt, in der du mit 14 das erste mal zum Militärdienst antanzen musstest Ich bin aufgewachsen in einer Welt, in der du regelmäßig zu Auffrischungskursen einberufen wurdest. Ich bin aufgewachsen in der Welt des kalten Krieges. Es ist nichts, was ich für erstrebenswert halte. Und fragt mal die Israelis, welche Welt das ist.

Die Aufgewühltheit verschwindet. Leere setzt ein.

Am Ende muss jeder mit sich selbst schlafen gehen und wissen wer er gewesen sein will.

PS: Aussterben is wohl doch die bessere Alternative. Jetzt sofort wäre angebracht. Wäre auch total gerecht.

Heal the world
Make it a better place
For you and for me, and the entire human race
There are people dying
If you care enough for the living
Make a better place for you and for me

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