10-80-10 hegemoniale kritische Masse

So Fritze jetzt lass uns mal etwas Gesellschafts-Wissenschaften betreiben und überlegen wie man die Welt verändern kann. Ja, ja der Größenwahn hat eingesetzt. Wir haben ja grad vom Frank gelernt, dass man mit Selbstüberschätzung erfolgreicher ist im Leben. Will die Evolution so.

Zurück zum Thema. Wie ändern wir die Gesellschaft. Oder anders, wie sich Gesellschaften ändern. Achtung Spoiler: Wir zwei werden hier nicht die Weltherrschaft übernehmen. Und andere einzelne Leute auch nicht. Aber es gibt da so Theorien, wie das so funktionieren kann mit dem Ändern von ganzen Gesellschaften.

Eins mal vorn weg: Mir missfällt extrem, dass im Kontext der anstehenden Transformation von der Wissenschaft auch sehr stark geforscht wird zum Thema wie man Gesellschaft gesteuert verändert. Irgendwie gruselt es mich, zu wissen das Menschen daran forschen wie man Gesellschaften bewusst verändert. Da ist immer dieses Damoklesschwert. Ich will mich dreckig machen. Nun du weißt was ich meine, gelle Fritze.

Was ist mit „kritischer Masse“ gemeint?

Der Begriff der „kritische Massen“ fällt hier und da mal im Bezug auf gesellschaftliche Veränderungen. Da gabs doch erst letztens so nen Artikel. Moment …. ihhhhh Fritze guck mal, ich hab auf Twitter nach kritischer Masse gesucht und was hab ich gekriegt. Ihhhhhhhhh lauter Schwurbelzeug aus diversen Richtungen. Wundert dich jetzt nicht? Warum nicht Fritze? Weil die alle die Welt anders haben wollen, als sie ist. Hmm könnte sein, dass du recht hast.

Also was ist jetzt diese kritische Masse? Wikipedia sagt

Eine kritische Masse in der Spieltheorie bedeutet, dass nicht die gesamte Gruppe von einer Strategie überzeugt werden muss, sondern dass es ausreicht, nur eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern von dieser Strategie zu überzeugen. Ist dieser Schwellenwert überschritten, die kritische Masse also erreicht, wird sich diese Strategie selbsttragend durchsetzen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kritische_Masse_(Spieltheorie)

Sprich wie viele Menschen braucht man, damit sich dann mittels Gruppendynamiken eine neue Idee durchsetzt und eine Minderheitenmeinung zur Mehrheitsmeinung wird. Oder wie der Antonio sagen würde. Wir ne neue kulturelle Hegemonie bekommen. Du weißt schon Fritze, wenn das alte stirbt und das neue noch nicht und so, Interregnum mit stürmischen Zeiten und so – Guck nicht so, ja ich schweife ab, ich weiß. Aber darüber müssen wir eh noch reden.

Zur Frage wie viele Menschen es nun braucht, um Dinge zu ändern in der Gesellschaft finden sich unterschiedliche Aussagen.

„wissenschaft.de“ sprich beispielsweise von 25 Prozent, wie eine Studie ergeben hat. Allgemein geht man wohl von 10 und 40 Prozent aus besagt der nachfolgende Artikel

Eine Standard-Formel gibt es nicht. Situationen/ Gesellschaften sind komplex und überhaupt. Diese Erkenntnis beruhigt schon mal.

Andere sprechen von 5-10 Prozent 😱 Das is jetzt nicht grad viel

Wieder andere Studien „behaupten“ es würden 3,5 Prozent reichen zumindest wenn man erfolgreichen politischen Wandel der Vergangenheit betrachtet. Ja ich schreibe hier bewusst „behaupten“. Ich bin mir als Ossi z.B. nicht wirklich sicher obs nur 3,5 Prozent waren bei der Wende. Vielleicht auf der Straße, aber bitte vergesst all die nicht, die das unterstützten ohne den Mut zu haben auf die Straße zu gehen. Da würde ich ganz andre Zahlen annehmen.

Soo ich hab jetzt übrigens den Artikel gefunden. Der Freitag spricht von „sozialen Kipppunkten“

Aber wo liegt die kritische Schwelle? Eine Studie, die 2018 in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurde, vermutet, dass ein sozialer Kipppunkt dann erreicht ist, sobald eine überzeugte Minderheit rund 25 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Wenn diese Schwelle überschritten wird, ändern sich gesellschaftliche Konventionen plötzlich. In den Experimenten, die in diese Studie einflossen, änderten zwischen 72 und 100 Prozent der Teilnehmer:innen ihre Meinung. Die Studie sagt auch, es sei inzwischen Forschungsstand, dass „die Macht kleiner Gruppen nicht auf Autorität oder Reichtum gründet, sondern auf ihrer Überzeugung für die Sache“.

Nach dem Scheitern von Glasgow: Unsere letzte Hoffnung ist die kritische Masse

Warum verlinken die eigentlich so selten die Studien, Fritze? Die würde mich mal interessieren. Könnte vielleicht die hier sein –

Panik – Was is jetzt mit AfD und Querdenkern?

Wenn dem jetzt mal einfach so wäre, dass nur wenige Menschen nötig wären, was machen wir jetzt mit den Wahlergebnisse von AfD oder gar mit den Querdenkern? Ich mein die 3,5 Prozent haben sie ja mal locker überschritten und die 10 Prozent die AfD ja nachweislich auch. Und im Osten gar die 25 Prozent 😨 Und wie gesagt, die schwurbeln ja auch von kritischer Masse und so

Und die Querdenker sind ja auch nicht grad wenig

Ich seh Angstschweiß auf deiner Stirn Fritze. Ganz ruhig, ich glaub so viel Angst müssen wir nicht haben, auch wenn sie das sagen. Das ganze brauch vielleicht dann doch mehr als ein paar nackte Zahlen. Antonio würde sagen, die Hegemonie ist halt stark genug, dass sie der Gegenhegemonie widerstehen kann. Sprich wir leisten Widerstand. Und lassen uns dann doch nicht so leicht assimilieren von einer Minderheitsmeinung.

Nur warum nicht? Liegt es daran, dass es doch noch mehr Leute braucht? Braucht es nur längere Zeit? Ist es Themenabhängig? Personenabhängig?

Das 10-80-10 Prinzip

Kommen wir so vielleicht mal zum 10-80-10 Prinzip, dass wir in unterschiedlichen Kontexten finden können. Mir unter die Finger gekommen ist es im Rahmen von Corona.

Ungefähr 10% aller Menschen reagieren in Krisen ruhig und relativ rational. Unter Druck „reißen sie sich zusammen“ und „funktionieren“. Sie schätzen Situationen schnell richtig ein und treffen klare und konzentrierte Entscheidungen. Diese 10% setzen Prioritäten, schmieden in der Sekunde Pläne und lassen sich von einer Situation nicht überwältigen.

Die meisten Menschen, rund 80%, reagieren nicht so zielgerichtet. In Krisen sind sie meist fassungslos und verwirrt. Die Fähigkeit „vernünftig“ zu handeln, ist deutlich eingeschränkt. Das Denken fällt ihnen schwer. Diese Menschen reagieren reflexartig, fast automatisch und mechanisch. Die Wahrnehmung ist deutlich eingeengt. Der Tunnelblick stellt sich ein. Diese Gruppe benötigt Führung in Krisenzeiten, in Notsituationen.

Die dritte Gruppe reagiert regelrecht hysterisch in Krisen. Sie tun schlicht gesagt das Falsche. Sie verhalten sich unangemessen und absolut kontraproduktiv. Durch den Kontrollverlust, auch über sich selbst, rasten sie oft aus und schaffen es nicht, sich zusammenzureißen. Diese Menschen benötigen in Krisen besondere Betreuung. Oft hilft es, ihnen eine Aufgabe zu geben – sie zu beschäftigen.

https://www.emerisis.com/news/10-80-10/

Auch aus dem Projektmanagement für Veränderungsvorhaben, wie sie in Unternehmen regelmäßig stattfinden. Bin eh der Meinung man sollte da mehr nen Blick drauf haben – auf das was wir Tag täglich für Veränderungsprozesse durchlaufen.

Hier unterscheidet man in Fans, Neutrale und Gegner.

Studien (vgl. u.a. „Above the Line“ von Urban Meyer) haben ergeben, dass sich Gruppen in Veränderungssituationen fast immer typisch gemäß der 10-80-10 Regel verhalten: 

10% der Betroffenen werden begeistert sein. Diese gilt es zu identifizieren und als Mitstreiter für das Vorhaben zu gewinnen. Sie haben die Sogkraft, um andere mitzureißen und zu begeistern.

80% der Betroffenen werden sich (zunächst) neutral verhalten. Sie finden die Veränderung weder richtig gut noch richtig schlecht. Sie reagieren abwartend.

10% der Betroffenen werden grundsätzlich skeptisch reagieren und positionieren sich als Gegner des Vorhabens.

https://projektmanagement24.de/10-80-10-regel

Und für Interessiert hier noch

Heißt, das entscheidende ist die „Qualität“ der Personen. Es reicht nicht eine bestimmte Anzahl an Personen für eine Idee zu gewinnen. Es ist entscheidend, welche Personen das sind.

Das könnte auch erklären, warum die AfD und die Querdenker eben noch die die Weltherrschaft übernommen haben. Und Jan Böhmermann auch nicht. Der Großteil der Leader dürfte sich außerhalb dieser Bubbles befinden.

Wenn 10% von uns Anführer sind, dann ist das jeder Zehnte. Das ist nicht wenig. Da reicht nicht Berlin Mitte und auch nicht Görlitz. Grundsätzlich würde mein Bauch mir sagen, dass diese Anführer auch nicht nur in Chefetagen sitzen, sondern auf allen Eben unserer Gesellschaft zu finden sind. Wenn ganze Gesellschaften im Jahre 2021 kippen sollen, müssen alle Schichten kippen.

Aber der Schlumpfpeter, meinst? Stimmt der Schlumpfpeter emm Schumpeter. Aber hat der nicht genau das gleiche gesagt? Es reicht nicht, dass die Intellektuellen etwas wollen. Diese stacheln dann die Bevölkerung an und schon haben wir den Sozialismus.

Kulturelle Hegemonie

Da schlagen wir jetzt mal den Bogen zur Kulturellen Hegemonie. Ich sach mal so, Fritze, mein Verhältnis zum Antonio und seine Theorien ist immer noch zwiegespalten. Die These der kulturellen Hegemonie, die wird ja nicht umsonst von links außen und rechts außen gelesen, um die Gesellschaft zu verändern. Von links außen oder rechts außen, Hust. Aber da waren wir ja auch bei der kritischen Masse schon. Halten wir mal fest, die lesen den schon länger und es ist nix passiert mit der Machtergreifung – weder von der einen noch von der andern Seite. Ahhh puuuhhh. Das is dann

In der bürgerlichen Gesellschaft werde Herrschaft nicht allein durch bloßen Zwang erzeugt, sondern die Menschen würden überzeugt, dass sie in der „besten aller möglichen Welten“ lebten: Die stabilen Formen kapitalistischer Herrschaftssysteme würden durch Konsens, durch „Hegemonie“ in der Zivilgesellschaft (societas civilis) vermittelt sowie durch deren Hegemonieapparate in der Arbeitswelt oder in Institutionen der Erziehungs-, Integrations– und Bildungssysteme, wie etwa in Schulen, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden oder Massenmedien.

Hegemonie heißt für Gramsci, „dass die herrschende Gruppe sich auf konkrete Weise mit den allgemeinen Interessen der untergeordneten Gruppen abstimmen wird und das Staatsleben als ein andauerndes Formieren und Überwinden von instabilen Gleichgewichten zu fassen ist […], von Gleichgewichten, in denen die Interessen der herrschenden Gruppen überwiegen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, d. h. nicht bis zu einem engen ökonomisch-korporativen Interesse[1]

https://dewiki.de/Lexikon/Kulturelle_Hegemonie

Klingt alles relativ hochtragend, ich weiß Fritze. Ich würde das aber mal so zusammenfassen, dass auf unterschiedlichen Ebenen einer Gesellschaft diese Welt, die man für gut erachtet, ausgehandelt wird. Laut Gramscis Theorie, wäre es so möglich eine friedliche Revolution durchzuführen indem man mittels Intellektuellen über die gesamte Gesellschaft verteilt neue Werte/ Grundsätze/ Wahrheiten verbreitet an die die breite Masse glaubt und somit auch Herrschaftsverhältnisse festigt. Sprich auch Gramsci sprach meiner bisherigen Recherche nach davon, dass man die Gedanken der neuen Kultur breit in die Bevölkerung tragen muss. Dafür hat er sogar unterschiedliche Arten von Intellektuellen erfunden.

„Eine neue Kultur zu schaffen bedeutet nicht nur, individuell ‚originelle‘ Entdeckungen zu machen, es bedeutet auch und besonders, bereits entdeckte Wahrheiten kritisch zu verbreiten, sie sozusagen zu ‚vergesellschaften‘ und sie dadurch Basis vitaler Handlungen, Element der Koordination und der intellektuellen und moralischen Ordnung werden zu lassen. Dass eine Masse von Menschen dahin gebracht wird, die reale Gegenwart kohärent und auf einheitliche Weise zu denken, ist eine ›philosophische‹ Tatsache, die viel wichtiger und ‚origineller‘ ist, als wenn ein philosophisches ‚Genie‘ eine neue Wahrheit entdeckt, die Erbhof kleiner Intellektuellengruppen bleibt.“

(Gefängnishefte, Heft 11, §12) , Freiheitslexikon, Kulturelle Hegemonie

Über Gramsci könnte man viel erzählen. Als Marxist/ Leninist war jemand der von träumte, den Sprung zum Sozialismus / Kommunismus zu schaffen. Nur halt anders als es in Russland/ Sowjetunion passierte. Er bemerkte schon in den 1930er, dass nicht die Lösung sein kann das gewalttätig und autoritär durchzuboxen. Er suchte nach einem anderen Weg. Und viele, die ebenfalls von einer anderen Gesellschaftsform träumen lieben daher seine Ideen des friedlichen Umsturzes. Nicht umsonst findet man Antonio links und rechts außen. Kann er jetzt zwar nix für, aber immer wenn Wissenschaftler von Antonio reden, sollte man skeptisch sein, was sie im Schilde führen. (frei nach Armin L.)

Fazit – Silva kann auch wilde Theorie

Soderle, Fritez, wenn wir jetzt mal alles zusammenmixen und gut rühren, was kriegen wir dann für ein Süppchen? Die kritische Massen allein reicht mit Sicherheit nicht. Vor allem nicht bei der Anzahl diverser Gruppen, die jeweils die Weltherrschaft erobern wollen. Für Einzelthemen wo es Überscheidungen gibt, mag vielleicht sowas wie mit 25% haben wir die Schwelle überschritten und dann geht das Lauffeuer los, stimmen. Aber für größere Dinge eher nicht. Wenn man es jedoch schaff weite Teile der 10% der Anführer von Gesellschaften zu überzeugen, dann könnte da was daraus werden. Wobei man meiner Meinung nach bedenken muss, dass diese Anführer – auch im Sinne Antonios – nicht nur unter den Eliten zu suchen sind. Nur so kann man immer mehr Teile der 80% mitnehmen, die „Führung“ brauchen bzw. überzeugt werden müssen.

Man könnte auch sagen, jede von diesen Theorien is zwar nett und einige haben sogar Evidenz 😱 Aber auch die vergessen, dass man nicht generalisieren darf. Dinge die unter ganz anderen Rahmenbedingungen funktioniert haben und ganz anderen Themen betrafen, einfach mal 1:1 übertragen geht nicht. Und wir leben im Jahren 2021. Zerrissen zwischen all dem Wissen, Alternativen und all den Ideen und all den Krisen. Lustige Experimente von Spieltheorien zu übertragen auf großer gesellschaftliche Veränderungen, lässt jetzt mein Vertrauen in Wissenschaft nicht anwachsen.

Einige mögen in diese Theorien Antrieb und Hoffnung finden. Ich sehe viel Illusion. Es gibt durchaus Themen. Da finde ich das schade. Bei anderen Themen bin ich aber erleichtert, dass das ganze doch nicht so leicht ist wie man glaubt. Und wir sehen zum Glück bei links- und rechtsaußen, dass 10% oder 25% nicht reichen. Sie reichen vielleicht um Themen zu boykottieren, wie Corona-Impfquoten, bei denen man die gesamte Gesellschaft braucht, aber sie sie Verändern keine Kultur/ Gesellschaftsform.

Fritze? Bist eingeschlafen? Echt jetzt 🙄 Zur Strafe lese ich dir morgen Antonio vor … wobei ich immer noch glaub, dass er so weit Recht hat, dass das von unten kommen muss nicht von oben … bin mir sicher … blubbel … und es gibt bestimmt noch mehr so Theorien. Wir müssen mal Pinky und Brain fragen

2 Gedanken zu „10-80-10 hegemoniale kritische Masse“

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