Aktivismus eint nicht. Aktivismus spaltet. Und es gibt Gründe.
Sag mal Fritze, hab ich dir schon erzählt, dass ich mit den Aktivisten so meine Probleme habe? Zu oft schon, meinst du? Tschuldige … Aber wo wir gerade beim Thema sind … *tiefLufthol*
Ich glaube ja man wird so. So verachtend. So kalt. So empathielos. So wenig gewillt, die andere Seite zu hören. Nicht zuzuhören. Zu vergessen, dass man als Gesellschaft zusammenleben muss. Wenn man immer wieder und wieder gegen etwas kämpft. Auch gegen Menschen kämpft.
Ich muss ausholen. Kannst dich noch an Philipp erinnern? Ja, wir müssen ihn noch ausarbeiten. Er sagt viele schlaue Dinge. Philipp ist ein Analytiker. Er legt wert auf Klarheit und Deutlichkeit. Und will nicht unbedingt moralisch senden. Ich seh es blitzt in deinen Augen. Aber weißt du noch was er über Aktivismus gesagt hat? Dass der sich gewandelt hat. Weg von Empathie hin zu Vorwürden.
Wir verwenden im Alltag den Vorwurf, du bist Rassist als einen sehr schweren Vorwurf. Gegenüber dem Charakter eigentlich fast der schwerste Vorwurf, den wir machen könne, weil wir sagen mit deinem Charakter stimmt was nicht. Jetzt gibt es diese Redeweise, die ich glaube auch sinnvoll finde. Naja man kann unterscheiden zwischen einer Handlung – ich kann sagen „deine Handlung war vielleicht rassistisch, vielleicht sogar unbewusst rassistisch. Du bist aber kein Rassist.“ Nur normale Menschen, die diesen Diskurs nicht kennen, machen diesen Unterschied nicht. Und was passiert im öffentlichen Diskurs ist, dass der Vorwurf des Rassismus sehr sehr oft erhoben wird. Gemeint in diesem zweiten Sinne von „du hast vielleicht was gesagt von worüber du nicht nachgedacht hast, aber es könnte jemanden verletzen“. Es wird verstanden als Vorwurf gegen den Charakter und der Effekt, ist dann oft, dass Leute total dagegen halten. Weil wenn man so nen schweren moralischen Vorwurf bekommt, ist nicht die normale Reaktion „ich überdenke mein ganzes Leben“. Sondern die normale Reaktion ist „das stimmt nicht“. Du Übertreibst, das ist verrückt. Es einsteht so ne Gegensituation.
Und es gibt so eine Beobachtung. Du sagst ja, die Aktivisten dürfen alles. Es liegst sicherlich in der Natur des Aktivismus zuzuspitzen und zu übertreiben. Aber eine interessante Beobachtung ich würde da unterscheiden überspitzt zw. klassischem Aktivismus und Hashtag-Aktivismus. Und klassischer Aktivismus, vor allem wenn man sich die großen Emanzipationsbewegungen anguckt, war eigentlich die Idee immer zu zeigen an Empathie zu appellieren.
Jetzt gibts aber so ne Tendenz, nicht mehr so stark an Empathie zu appellieren und sagt „guck doch mal meine Seite“, sondern sehr stark – liegt vielleicht auch in der Natur des Hashtag-Aktivismus – mit Vorwürfen zu arbeiten. Und oft, vielleicht auch so ein soziologisches Phänomen, was neu ist, gibt es o ne Art moral grandstanding, wird es genannt in der Philosophie, also die Selbstdarstellung über Moral. Man ist sehr schnell verlockt, sich selber darzustellen, als jemand der moralisch besonders verfeinert, besonders empfindsam – was ja grundsätzlich gut ist, empfindsam zu sein. Was ein Zeichen ist, dass es ein guter allgemeiner Trend ist. Aber jetzt wird man das verwenden ich würde fast sagen, es ist so was wie ein Statusmarker. Früher hätte man sich vielleicht ein seltenes Bild hingehängt und sich vielleicht mit seltenen besonderen … Distinktion … ethischer Art. Und heute macht man eine besondere Distiktion mit moralischer Ader.
Also man hat ein Begriffsvokabular, das sehr schwer zu lernen ist – lateinisch, englische Wörter, Intersektionalität, white privilege. Der Effekt ist einmal dieser Vorwurfseffekt und der zweite Effekt ist, was ich noch interessanter finde, weil es eine neue Form des Ausschlusses gibt. Ganz im Sinne des komplexen Verhandelns am Tisch. Das auf der einen Seite gesagt wird, wir sollten sensibilisierte sein für Race, Class, Gender, aber gleichzeitig das Vokabular der progressiven Eliten – das ist jetzt auch ne Selbstkritik – so hochgetunet ist mittlerweile, dass man eigentlich die vollkommen ausschließt, die da überhaupt keinen Zugang finden. Wenn man denen sagt .. also allein schon mal englische Wörter zu verwenden, ist für einen Teil der Bevölkerung vielleicht auch den älteren Bevölkerung schwierig oder fremd, besonders komisch. Und man schafft es dann nicht, die dann zu überzeugen. Es ist also gar nicht mehr so ein Mechanismus der sagt „sie meine Seite“ sondern eher eine neue Form der Sprachpolarisierung. Das ist meine Beobachtung. (Philipp Hübl)
Das würde ich total teilen. Das ist ein Teil der Problematik (Aladin El-Mafaalani)
«Philipp Hübl diskutiert» mit Aladin El-Mafaalani über Integration und Rassismus, ab Minute 47
Diese Selbstdarstellung über Moral gepaart mit dieser fremdwortüberladenen Vorwürfs-Rhetorik, Fritze, dieser Hashtag-Aktivismus … hmm. Ich mein, ist es nicht dass was wir tagtäglich sehen? Das was uns so wahnsinnig abstößt? Gut es ist Twitter. Es patentiert das ganze. Aber dazu später-
Ein Aktivismus, der auf Abwertung aufbaut, wo ist da das warme Herz? Oder wie Philipp sagt, wo ist die Empathie? Aber was will ich? Wer bin ich schon? Aktivismus is cool. Aktivismus ist hipp. Aktivmus ist Zeitgeist.
Aber die Moral sie trieft. Und der Vorwurf er glitzert und sticht zu. Empörungsüberbietung nennt der Philipp das.
Wenn wir zu starkem generalisieren neigen, dann tun das nicht nur die, dann fühlen sich die kritisierten nicht nur als Mensch getroffen und nicht nur die eine Handlung/ Aussage, nein dann generalisieren auch die die kritisieren. Nicht nur die eine Handlung/ Aussage sondern auch auf den Menschen als ganzes. Und Menschen spüren das. Wir spüren die Art der Kritik. Einzelne Handlungen werden mit einer wärmeren Rhetorik und weniger Schärfe kritisiert. Zu sagen, man kritisiere doch nur die Handlung, ist dich nur Ausrede, um seine eigenen negativen Gefühle bzw. Kommunikationsfehler
Ne mit dieser Abwertung kann ich nichts anfangen. Ne will ich auch nicht. Nein nicht mein Wertekonstrukt. Als ob das alles nicht schon anstrengend genug ist. Am spannendsten sind die männlichen Aktivisten so ab Mitte 50. Nimm die Beine in die Hand und lauf. Alle sechs emm acht Fritze. Alleeeeee.
Aktivismus überspitzt. Aktivismus fordert. Aktivimus kämpft für etwas indem man etwas anderes bekämpft. Und irgendwie immer ein Kampf. Aktivimus heißt auch immer andere zu kritisieren, andere zu verurteilen. Aktivismus heißt, andere ändern zu wollen.
Aktivismus spaltet. Aktivismus kann immer nur innerhalb seiner eigenen Gruppe oder die Gegner innerhalb der gegnerischen Gruppen vereinen.
Die Anthropologen haben relativ gut nachgewiesen, dass Menschen dazu neigen, such Gruppen zu suchen, mit denn sie sich identifizieren. Und früher war as so, ich wurde in viele Gruppen hineingeboren – also man wahr Westfale oder Preuße, Protestant oder Katholik. Aber jetzt durch die Moderne, aber auch durch den Wohlstand und die Globalisierung haben wir die Chance unsere Identitäten selbst zu suchen. Unser Mechanismus uns in Gruppen abzugrenzen, ist immer noch da, aber wir können uns jetzt ganz plötzlich ganz viele neue Gruppen gründen. Ich kann in die Gruppe der radikalen Radfahrer gehen auf Twitter oder ich kann Veganer werden, ich kann mich einer neuen Religion anschließen. sobald sich Menschen einer Gruppe anschlie0en, fangen sie ganz schnell an sich mit der Gruppenidentität zu identifizieren. sie wollen dazugehören und sie wollen sich gegen die Gegengruppen abgrenzen.
Soziale Netzwerke verschärfen die Tendenz: Zu jedem noch so extremen Positionen kann ich eine Gruppe finden. Kann mich da in eine fast schalldichte Echokammer begeben, kann meine Meinung verstärken, kann mich austauschen. Das heißt wie in ganz vielen anderen Bereichen arbeiten die sozialen Medien mit archaischen Instinkten, die wir haben, und versuchen die gerade zu verstärken und zu befördern.
Wer hört hier gerade alles zu? Also bei Twitter öffentlich, wer guckt mich an? Ist es den Menschen zuerst wichtig, die richtigen Signale an die eigene Gruppe zu schicken. also erstmal der Gruppe zu signalisieren „ich gehöre dazu, ich habe die richtige Moral“. Aber die Menschen überschätzen die Moral der eigenen Gruppe. Sie glauben immer die Gruppe ist viel extremer als sie in Wirklichkeit ist.
Man weiß nicht, was der andere genau für eine Meinung hat. Man hat ja keine Test eingeholt mit 10 wichtigen Fragen zu moralischen, politischen Themen, sondern muss eine Schätzung abgeben und man möchte auf keine Fall auf der falschen Seite stehen. Man möchte nicht ein Signal senden, dass mehrdeutig ist oder nicht eindeutig zuordenbar ist. Nehmen wir das Beispiel Einwanderung. Die Linken sind für Einwanderung, die Rechten sind dagegen. Was mache ich jetzt, wenn ich in der Mitte bin? Ich sage, naja ich bin für Einwanderung, aber es soll auch reguliert werden. Es könnte so klingen, wenn ich sage es soll reguliert werden, als gehöre ich zu den Rechten. ich möchte aber nicht zu den Rechten gehören. Aber ich bin ja jetzt auch nicht am Linken Rand. Was kann ich machen? Ich würde eher dazu tendieren nichts zu sagen, weil ich nicht falsch verstanden werden müsste.
Wenn jemand etwas sagt, könnte man ja auch sagen, dass was du behauptest, dein Argument ist nicht besonders gut. Ist vielleicht sogar rassistisch, was du gesagt hast, aber das heißt noch nicht, dass du als ganze Person ein Rassist bist oder du als ganze Person moralisch verwerflich bist.
ZAPP Herdenverhalten in der Debattenkultur 2020, Philipp Hübl
Läuft das eigentlich unter infantiler Gesellschaft, Fritze? Erinnert mich irgendwie an den Spielplatz, wenn klein Fritze sich mit Robert in die Haare bekommt und dann zu Mama läuft „der hat mich gehauen“
Ach die Barbara hate da auch was
Lästern hat offenbar positive Funktionen. Wir haben schon gesagt, dass es uns irgendwie zusammenschweisst. Wir können uns auch darüber austauschen, wer wir sind, was uns wichtig ist, über unsere Weltbilder und Grundwerte,indem wir über andere bewertend sprechen – mit Lob oder Kritik. Wir verständigen uns darüber, was wir im Leben wichtig finden. Es geht darum, sich über die anderen zu erheben, indem man sie runtermacht. Das passt zur Theorie des Moral Grandstanding. Man macht sich gross, indem man runterdrückt. Diese Theorie wurde von zwei Philosophen ausgearbeitet. Tosi und Warmke haben ein Buch darüber geschrieben. Sie zeigen, dass es extrem zunimmt. Es ist etwas sehr Problematisches. Man zieht einen Nutzen daraus, die anderen zu zertrampeln. Man scheint dann umso schöner. Das machen wir leider relativ oft.
Darf ich lästern und tratschen? | Philosophie | Bleisch & Bossart | SRF Kultur
Vielleicht ist es das was mich einfach so sehr stört. Das was mich trifft. Manchmal mitten rein. Und dreh bitte noch mal um. Aber Hauptsache die Moral sitzt. Die der eignen Gruppe. Diese gefühlte Abwertung. Die scharfen Worte. Ich hatte gehofft. So sehr. Auf die die Brücken bauen wollen. Das sie all das sehen, was es scheinbar empirisch sogar sehr gut zu sehen gibt. Einmal das Wort ergreifen.
Aber am Ende sind sie alle nur Spieler im gleichen Spiel. Und werden am ende selbst nur schärfer und schärfer. Und vorwurfsvoller. Die Moral der Gruppe verlangt das. Ich gehöre zu euch. #Metoo.
Blasenbildung. Doppelmoral. Wenn Precht vom Spielgel zerrissen wird. Beleidigt, um Grunde komplettes Absprechen von öffentlicher Daseinsberechtigung. Wo ist da der Unterschied? Wo ist da der Aufschrei der Elite, die Respekt und Anstand im Diskurs will? … Ach Fritze …
Aktivismus eint nicht. Aktivismus spaltet. Und es gibt Gründe. Und es ist eben nicht alles nur Einbildung oder Angriffe von Rechts.
10.000 Twitterern gefällt das. Aber wo is da noch der Unterschied zur Bild? Und was macht es mit uns im realen Leben?