Identität, Moral, Ich oder Wir?

Steht das Ich jetzt über dem Wir oder das Wir über dem Ich? Ich denke noch.

Was wir sind, bestimmen wir selbst, aber doch selten allein. Immer in Form von Gruppen. Aber nie in Form des großen ganzen Wir. Die Suche nach dem universellen Wir wird nicht gelingen. Dafür zersplittern wir in unserer virtuellen Welt zu sehr – Themen bezogen. Und gleichzeitig beziehen wir zu jedem Thema Stellung. Und Hüpfen von Gruppe zu Gruppe. Oftmals. Wechselt nicht jeder dauernd die Fronten aber die Mehrheit von uns ist nicht um sonst zu Wechselwählern geworden.

Stellung beziehen wir aufgrund unserer Wertevorstellungen. Aufgrund unser Moral. Philipp behauptet emm Philipp stellt die These auf … ne Moment neumodisch sagt man: Philipp verbreitet das Narrativ, dass unsere Moral unsere Identität bestimmt. Ich würde aus dem Bauch gleich mal unterschreiben bei seinem offenen Brief. Es ist schon viele Jahre her, da las ich/ hörte ich, dass Moral unsere höchste Instanz ist. Was ist mehr Ich als das was wir für richtig oder falsch halten. Wie wir handeln. Wofür und wogegen wir uns einsetzen. Wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen.

Philipp begründet dies wissenschaftlich anhand von Experimenten aus der Psychologie/ Sozialpsychologie.

Philipps These ist, dass unser moralischer Charakter über die Zeit recht kontinuierlich bleibt und uns am meisten in der Identität bestimmt. Wenn man normale Menschen befragt, wann eine Person nach einem Unfall nicht mehr die gleiche Person ist, dann sprechen sich die Meisten dafür aus, dass ein verändertes Verhalten/ veränderte Einstellungen aufgrund von veränderter Moral uns zu einer anderen Person macht. Es sind nicht die Erinnerungen, unser Wissen, Fähigkeiten.

Hinweis zwei sind die identitätsschützenden Denkfehler. Das waren die, durch die wir die Fakten „verdrehen“, damit wir uns nicht verändern müssen. Hauptsache die kognitive Dissonanz in uns verschwindet.

Das habe ich oft als Reaktion auf meine Vorträge erlebt, aber auch an mir selbst beobachtet. Die wenigsten von uns leben nach hohen ethischen Standards. Stattdessen haben wir uns Strategien angewöhnt, kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn wir uns zum Beispiel einreden: »Nicht ich, der Staat muss den Obdachlosen helfen«, »Die anderen essen auch Fleisch« oder »Man kann ohnehin nie alles richtig machen«. Viele Untersuchungen zeigen, dass unsere Moral den Kern unserer Identität bildet. Daher sind wir für identitätsschützende Denkfehler anfällig: Wir neigen eher dazu, unliebsame Fakten zu ignorieren oder umzudeuten, als dass wir unsere Moral überdenken und unsere Lebensweise ändern. Um das zu vermeiden, muss man sich konsequent mit Gegenpositionen konfrontieren – nur so kann man Klarheit über sich selbst gewinnen.

Hübl, Philipp. Die aufgeregte Gesellschaft: Wie Emotionen unsere Moral prägen und die Polarisierung verstärken (German Edition) (S.16-17). C. Bertelsmann Verlag. Kindle-Version.

Wenn wir moralisch herausgefordert sind, wollen wir unsere Moral schützen, glaubt Philipp. Freund nannte es, das ICH-Ideal aufrecht erhalten. Ich überlegen gerade. War da nicht was mit Sollte-Ich und so? Ne das Sollte-Selbst hieß das. Aber ich glaube das geht auch alles in die Richtung – Sozialpsychologie – Theorie der sozialen Identität. Wobei die soziale Identität ja quasi schon per Definition durch „sozial“, die Identität über Gruppen definiert und nicht nur als individuelles Konstrukt ohne Einfluss von außen. Aber das geht glaube alles in ähnliche Richtungen.

Wir definieren uns über unsere Wert. Wir reagieren daher auch sehr stark wenn es um unsere Werte geht. Um unsere Moral. Und unsere Reaktionen scheinen zum Teil dann auch automatisiert abzulaufen und gar nicht so bewusst. Bei moralischen Vorwürfen zum Beispiel reagieren wir besonders stark mit Abwehr/ Verteidigungshaltung. Finden andere Gründe/ Schuldige.

Ich denke noch. Ich denke an Angriff ist die beste Verteidigung. An alle die Rechtfertigungen. Das was nicht mit meine Werten kompatibel war und ist. Und eben auch mein Reaktion. Und ja, es ging um Wert. Und Spiegel in die man schauen können möchte. Wir treffen Entscheidungen und finden auch immer Begründungen dafür warum sie gemäß unserem Wertekonstrukt so richtig sind. Und wie Henning das so schön erklärt hat, wenn man auf der Weltrettungsmission ist, werden die Begründungen irgendwann beliebig. Der Weg zur Hölle.

Der Schwenk zur Identitätspolitik ist eindeutig wieder Identität über Gruppenzugehörigkeit. Wobei man ja eine höhere universelle Moral über alle Gruppen fordert(e). Persönliche moralische Identität und moralische Identität der Gruppe sind eng verbunden. Stimme zu. Und jetzt wirds schwierig. Suchen wir uns die Gruppe, die ähnliche Moral hat oder prägt uns als Individuum die Moral der Gruppe? Ich weiß nicht, ob das so einfach zu trennen ist. Unsere Moral fällt nicht vom Himmel. Wobei ich natürlich zustimme, dass wir in Zeiten Leben, wo wir uns unsere Gruppen so gestalten können, wie sie am besten zu unseren Werten passen. Gerade in Großstädten, mal ganz zu schweigen vom Internet. Schwierig.

Kommen wir nun zu Ideologie schlägt Wissen. Da waren wir ja schon – Bullshitresistenz – moralische und intellektuell Demut. Unsere Gruppe/ unsere Moral ist stärker als unser Verstand.

Ein Uniabschluss verleiht einem das Rüstzeug, um die Gegenseite höchst kreativ zu dämonisieren

Die Ergebnisse legten nahe, dass auch hochgradig rechenfertige Menschen es unter Umständen bevorzugten, lieber eine gewünschte als eine wirkliche Wahrheit zu sehen, sagen Grant und Nurse. Die beiden Forscher replizieren damit quasi Ergebnisse einer Studie, die Psychologen um Dan Kahan von der Yale University 2017 im Fachjournal Behavioural Public Policy veröffentlicht haben. Auch diese Arbeit zeigte: Geht es um ideologisch relevante Fragen, wirkt Zahlenfertigkeit als Polarisationsbeschleuniger. Ging es um ein politisch neutrales Thema – im Fall der Studie war das die Wirksamkeit einer Salbe – , waren mathematisch bewanderte Probanden deutlich besser darin, eine weitgehend objektive Bewertung von Daten abzugeben. Sollten sie hingegen (vermeintliche) Ergebnisse zur Wirkung von Waffengesetzgebung bewerten, zeigte sich ein anderes Bild. In den USA ist das ein hochumstrittenes Politikfeld, und in diesem Fall halfen gute Mathekenntnisse den Probanden, sich die Ergebnisse in ihrem Sinne hinzubiegen.

Mathe schützt vor Dummheit nicht

Fazit: Identität ist also moralisch. Die individuelle Identität ist aber stark an die Gruppe gekoppelt. Wer über moralisch aufgeladene Themen konstruktiv reden will, muss seine eigene Moral möglichst „unterdrücken“ oder sich deren Einfluss zumindest bewusst sein. Aber wir können unsere Moral auch verändern.

Wenn jetzt unsere Moral das ist, was konstant bleibt – siehe Anfang des Vortrags, dann verstehe ich die Elastizität der Moral nur bedingt. Gut ich gehe mit, dass es möglich sein muss und ist, dass wir unsere moralischen Einstellungen / Werte ändern können. Sonst gäbe es keine moralischen Fortschritt. Aber sind wir dann nicht mehr Jim, wenn wir unsere Moral ändern? Ich denke noch.

Und ja, auch wenn Moral starken Einfluss auf unsere Identität hat, veränderte Einstellungen zerstören unsere Identität nicht. Sie mögen sie verändern. Aber auch unser Körper verändert sich. Unser Wissen verändert sich im Laufen des Lebens. Warum nicht auch die Werte? Aber wie man das dann gestaltet diesen Veränderungsprozess und wie bei all den Kämpfen die Gruppen das auch wollen … hmm schwer. Hmmm Diese moralischen Kämpfe. Hmmm.

Wie soll man denn allen Menschen erklären, dass sie ihre Moral doch bitte anpassen können. Und vor allem wer? Dass heißt ja übersetzt immer, die Progressiven geben vor und die anderen mögen bitte nachziehen. Nein Danke. Im übrigen hat sich das mit der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen mal in die eine und dann mal in die andere Richtung entwickelt. Und Kreuzzüge hielt man auch mal für moralischen Fortschritt. Bin mir nicht sicher, ob ich mit dem Vorschlag mitgehe. Also dass wir in diesen Zeiten des Wandels mit vielen aufgeheizten moralischen Debatten das ganze abkühlen können, wenn wir drüber reden, dass wir moralisch wandelbare Wesen sind. Ich denke noch.

Einwurf: Der Barkmann is übrigens wieder da. So charmant wie früher. Ich sach mal, seine Identität is stabil.

Und jetzt etwas Anschauungsmaterial.

Das schlimme ist ja, dass einem die Aktivisten doch immer wieder in die TL gespült werden. Genau wie alle anderen Meinungsbilder auch. Weil man sich ja auch (zu recht) meist drüber empören müssen. Empörung = moralische Wut.

Ich empöre mich auch mal wieder. „Unterbelichtete Diskussion“ nennt der Volker, Professor für Energie an einer Fachhochschule, die Debatte um Fleischkonsum und Klimawandel. Weil Volker kennt sich natürlich bei dem Thema aus. Und erklärt, dass wenn man das Thema anspricht man zwar angefeindet wird, aber man könne ja nicht schweigen. Aber die Menschen müssten ihren Lebensstil ändern und das wäre für einige wohl so schwer, dass man dies wohl irgendwie ablehnt.

Was sind übrigens Massenkonsumlebensmittel? Und wenn die wegfallen was haben wir dann? Ich frag nur verwirrt.

Auf alle Fälle ist das ein Musterbeispiel. Weltrettung ist natürlich moralisch korrekt, auch wenn das gar nicht mein Gebiet ist und ich mich auch nicht auf Expertenlevel bewegen kann. Und Kritiker haben natürlich alle Unrecht und alles nur Anfeindungen und unterbelichtete Debatte. Mein eigenes Verhalten ist durch meine Moral gerechtfertigt und die anderen haben scheinbar die falsche Moral. Beziehungsweise Volker versteht die ganze Psychologie dahinter nicht. Warum diese Fleischdebatte so aufgeheizt ist. Was das mit Gruppenzugehörigkeit, Vorurteilen, Moral etc zu tun hat. Und ich puste noch mal Reaktanz in den Äther.

Diese Abwertung derer die nicht einfach mal ihren Lebensstil ändern (wollen). Aber hier muss ja eingegriffen werden. Argh. Mit solchen Formulierungen schaffst du keine Akzeptanz sondern eben Reaktanz. Und dann wundern sie sich wieder wenn Söder was von Umerziehung faselt. Argh.

Ach und nein, mit dem Fleischkonsum allein ruiniert hier keiner das Klima. Argh. Das hat wieder das gleiche Niveau von Scientists for Future kann weg. Das mach so viel kaputt. Argh.

Ich verspüre Gefühle.

Der Weg zur Hölle ist halt doch mit guten Absichten gepflastert. Aber kümmern wir uns lieber um Schmetterlinge.

When you touch me there I feel butterflies (hmm-mmm)
I’m gonna love you ‚til the day I die (die)
When you cut me, you cut me like a knife (cut me like a knife)
I wanna tell you, but I’m terrified

Oh, what a perfect day
Why do you have to go away?
Now the sky’s so grey (hmm-mmm)
I think I’m gonna be okay

Be okay (ooh)
I’m gonna be okay (ooh)
I’m gonna be okay (ooh)
Am I gonna be okay? (Ooh)

When you touch me there I feel butterflies (I feel butterflies)
I’m gonna love you til the day I die (‚til the day I die)
When you cut me, you cut me like a knife
You don’t know it, but you saved my life

Gonna be okay
Think I’m gonna be okay

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