Perfektionismus – Es gibt keine perfekten Menschen

Wie sagte die Friseuse doch bei meinem letzten Friseurbesuch so schön? SCHEISS PERFEKTIONISMUS!

In den letzten Monaten habe ich eine Art Allergie bezüglich des Wortes Perfektionismus entwickelt. Wenn mir noch mal jemand sagt, er möchte perfekt sein, dann bekomme ich einen Schreianfall, fürchte ich. Es gibt keine perfekten Menschen. Ende der Diskussion.

Ich fand ein interessantes Statement

Der perfekte Mensch wäre ein Widerspruch in sich selbst und könnte nicht existieren. Ein perfekter Mensch wäre in allen Bereichen perfekt. Als Beispiel: er wäre perfekt darin, gute Dinge zu tun. Aber er wäre genauso perfekt darin schlechte Dinge zu tun. Jede Handlung die er nun täte, würde einem dieser perfekten Fähigkeiten widersprechen. Es ist ein logisches Problem.

Wer behauptet, es gibt perfekte Menschen, der soll sie mir zeigen. Und was soll ein perfekter Mensch überhaupt sein? Jemand der erfolgreich ist? Jemand der offensichtlich keine Fehler macht? Jemand der offensichtlich ein glückliches Leben führt? Jemand der makellos ist? Jemand mit perfektem Körper?

Wir alle machen Fehler. Jeden Tag aufs neue. Manche können nur ihre Fehler besser kaschieren. Verschweigen ist auch ganz toll. Es kommt immer darauf an, wie die Umwelt mit Fehlern umgeht. In meinem Job ist es so, dass wir eine miserable Fehlerkultur haben. Man darf keine Fehler machen und wenn doch, dann gibts ne Watschen. Das führt dazu, dass man Fehler verschweigt und hofft, dass sie nicht auffallen. Aber somit nimmt man sich das Potential für Verbesserungen also Vermeidung von Fehlern. Aber das begreifen einige nicht in ihrem Perfektionismus.

Ganz ehrlich, im Job mach ich lieber selbst Fehler als dass ich mich über Fehler anderer ärgern „darf“. Ich ärgere mich lieber über mich selbst und denke drüber nach, wie das passieren konnte. Manchmal kommt man zum Schluss, dass man das nächste mal das oder das beachten sollte und manchmal kommt man zum Schluss, dass man nicht hätte machen können, um den Fehler zu verhindern. Dinge/ Fehler passieren. Niemand ist unfehlbar. Und ich stehe dazu. Ich habe keine Problem Fehler zuzugeben. Aber wie schon gesagt, damit kann man bei uns nicht umgehen. Stattdessen kriegt man Redeverbot. Was mich aber nicht daran hindert meine eigene Fehleranalyse zu betreiben und Dinge zu ändern. Auch ohne offizielle Erlaubnis.

Man lässt ein Glas fallen. Fehler. Man vergisst seinen Schlüssel. Fehler. Man vergisst einen Geburtstag. Fehler. Man sagt unbewusst ein falsches Wort. Fehler. Und so weiter. Um nur ein paar kleine Alltäglichkeiten aufzuzeigen. Fehler Fehler Fehler. Überall Fehler. Wir kriegen im falschesten Augenblick eine Erkältung. Verdammter Fehler.

Da fällt mir etwas sein. Ich saß mal mit einer Kollegin zusammen und wir analysierten ein paar Problemfälle und kamen zu dem Punkt, dass Menschen Fehler machen und sie wollte das ganze unter dem Punkt „Menschliches Versagen“ ablegen. Ich war etwas irritiert über diese harte Formulierung.

Wir können nur versuchen unser bestes zu geben. Im Wissen, dass es nie perfekt sein kann. Wir können versuchen gewissen Dinge zu optimieren, werden aber trotzdem auch dort nie fehlerfrei sein. Nehmen wir doch mal die Sportler, die die ganzes Leben dem Sport widmen und trainieren und trainieren. Trotzdem machen auch sie immer wieder Fehler. Egal wie sehr man sich auf etwas fokussiert und übt und übt, man ist nie perfekt. Und ist es nicht eh immer so, dass wir uns dann am meisten im Weg stehen, wenn wir unbedingt etwas wollen? Kann man überhaupt jemals „perfekt“ werden, wenn man es um jeden Preis sein will?

Ja ja ich weiß, auch Perfektionismus hat seine Gründe.

Ich frage mich, ob ich perfekt sein möchte. Ich frage mich, ob ich einen perfekten Menschen lieben könnte. Ich glaube nein, könnte ich nicht. Es wäre kein Mensch. Und er würde mir immer zeigen, dass ich minderwertig bin.

Ich kann so herrlich perfekt unperfekt sein.

PS: Witzig finde ich auch immer den Gedanken, dass man Menschen durch Computer/ Maschinen ersetzten sollte. Weil die machen keine Fehler. Als kleiner Denkanstoß: Wer erschafft Computerprogramme und Maschinen? Ich glaube das tun Menschen. Ach und falls ich es noch nicht erwähnte, Menschen machen Fehler …

PPS: Zehn Tipps gegen Perfektionismus

PPPS: In dem Zusammenhang: Der eigene Wunsch perfekt zu sein und die damit auch verbundenen Erwartungen an andere, dass auch sie perfekt sein müssen. Ein Teufelskreis.

17 Gedanken zu „Perfektionismus – Es gibt keine perfekten Menschen“

      • Ich weiß nicht, warum ich das denke. Vielleicht weil man mir ständig das Gefühl gibt, an den Ansprüchen anderer Menschen zu scheitern. Es ist so paradox. Auf der einen Seite gibt es viele Menschen, die finden, dass ich alles großartig mache und auf der anderen Seite gibt es eigentlich nur einen Menschen, der mir oft suggeriert, ich wäre nicht gut. Da das allerdings meine Mutter ist, fällt das entsprechend ins Gewicht.

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        • Weil sie all meine Entscheidungen infrage stellt, gegen alles redet und mich manchmal behandelt, als wäre ich 16. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es egal ist, was ich mache. Es ist sowieso falsch. Ich habe zu hohe Ansprüche, wenn ich meine Wohnung schön einrichten will, ich studiere das Falsche, die Partner an meiner Seite sind nie richtig, ich bin selber Schuld, wenn ich mich überfordert und gestresst fühle, soll ich halt weniger arbeiten… es geht endlos weiter.

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      • Eins wird sich nie ändern. Wir sind und bleiben die Kinder unserer Eltern. Und als Eltern fühlt man sich weiterhin verantwortlich. Man bleibt immer das Kind.

        Meinst du nicht, dass da vielleicht auch nur sie Sorge um dich dahinter steckt? Ein anderes Studium, was vielleicht einen sicheren Job bringen würde. Weniger Geld ausgeben, dafür auch weniger arbeiten, so dass du dich nicht kaputt arbeitest. Und so weiter.

        Wir haben zwar alle das Recht darauf unsere Fehler selbst zu machen. Aber das schützt uns nicht davor, dass sich andere Mensch um uns sorgen.

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        • Meine Berufsaussichten sind nicht so schlecht, viel Geld gebe ich auch nicht aus, ich spare für die Zukunft, weil bald größere Anschaffungen auf mich zukommen.
          Es ist egal, was ich gemacht hätte, es ist immer falsch. Das hat bei ihr nichts mit Sorge zu tun. Manchmal denke ich, dass sie einfach nur ein bisschen neidisch ist. Als sie mich bekam, war sie 29 Jahre alt und Abteilungsleiterin. Innerhalb von drei Jahren bekam sie drei Kinder, hing ihren Job an den Nagel und entschied sich dafür, eine Zeit lang Hausfrau und Mutter zu sein. Dann trennte sie sich von meinem Vater, um sich selbst zu verwirklichen, und schaffte es beruflich nicht, an ihre alten Erfolge anzuknüpfen. Die Wahl, Kinder zu bekommen und für sie da zu sein, hat ihr die Möglichkeit für eine große Karriere genommen. Ich glaube, das hat sie bis heute nicht verwunden. Es gab jedenfalls immer wieder Situationen, in denen sie uns das spüren ließ. Manchmal glaube ich, dass sie mir nicht besonders viel gönnt. Es ist egal, was ich will und was ich mir wünsche, es ist immer zu viel und immer ungerechtfertigt.
          Sie ist eine dieser Mütter, die sagt „egal, was meine Kinder machen, hauptsache sie sind glücklich“ – sie lässt mich zwar machen, was ich machen möchte, um glücklich zu sein, aber sie lässt auch wenig Gelegenheiten aus, um mir zu sagen oder zu zeigen, dass sie das alles falsch findet. Wenn ich unglücklich bin, dann ist das auch kein Wunder, denn ich mache es ja nicht so, wie sie es für richtig hält. Sie sollte vielleicht einfach mein Leben leben. Dann würde alles richtig laufen 😉

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        • Habe ich, ja. Erst kürzlich. Sie versteht zwar noch nicht, dass sie mein Problem ist, aber sie versteht zumindest, dass sie nicht ganz unschuldig an meinen heutigen Schwierigkeiten ist. Man empfohl mir, eine Familientherapie zu machen. Meine Mutter hat immerhin zugestimmt. Letztlich wird sie sich nicht mehr ändern und nicht mehr gut machen, was sie falsch gemacht hat. Ich habe aber nicht vor, mich weiter so behandeln zu lassen und werde bei zukünftigen Situationen direkt sagen, was sie gerade tut. Sie ist nämlich der Ansicht, dass sie niemals gegenredet, mich immer machen lässt und mich niemals wie 16 behandelt. Es wird garantiert nicht lange dauern bis ich ihr den Spiegel vorhalten kann. Mir ist schon bewusst, dass ich an meinem Umgang mit den Dingen arbeiten muss, aber ich erwarte auch von meiner Mutter, dass sie an einigen Dingen arbeitet. Das habe ich ihr gesagt und aus dem Grund werde ich ihr bei entsprechenden Situationen auch ein Zeichen geben.

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      • Gute Einstellung!!

        Aber mal zurück zum Ausgangspunkt des Gesprächs. Halten wir doch mal fest, dass deine Mutter nicht möchte, dass du perfekt bist. Sie möchte anscheinend nur, dass du so bist, wie sie gern gewesen wäre. Oder besser gesagt, dass du das tust, was sie gern möchte. Das heißt, aber nicht, dass sie will, dass du perfekt bist. Oder?

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        • Du öffnest mir gerade ziemlich die Augen..
          Ich glaube, dass meine Mutter sich wünscht, dass ich mein Leben so lebe, wie sie ihres gern gelebt hätte – zwar nicht eins zu eins, aber so, dass ich möglicherweise richtigere Wege gehe als sie. Vielleicht findet sie nicht immer richtig was ich tue, weil sie Sorge hat, dass ich mein Leben versaue, wie sie ihres vielleicht ungewollt „versaut“ hat. Aber es war nie die Rede davon, dass ich perfekt sein solle, das stimmt. Sie würde mich nicht anders behandeln, wenn meine Leistungen im Studium schlechter wären. Ich glaube, ich bin gerade ein gutes Stück schlauer geworden und weiter gekommen. Danke!

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      • Das macht dann 287 € … kleiner Scherz. Die Antworten hast du dir ja selbst gegeben.

        Ändert aber leider nichts daran, dass du und deine Mutter manches noch mal gemeinsam aufarbeiten müsst. Und das kriegt ihr hin. Wenn man den Feind kennt, kann man ihn bekämpfen 😉 Gemeinsam

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        • 😀

          Ja, ich werde das mit ihr aufarbeiten. Aber es hat mir nun auch beim Umgang geholfen. Wenn ich glaube, dass sie mich schützen will, trete ich ihr anders gegenüber, als wenn ich glaube, dass ich falsch bin. Bei dem einen ist man eben nicht in einer Abwehrhaltung.

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  1. „Wir alle machen Fehler. Jeden Tag aufs neue. Manche können nur ihre Fehler besser kaschieren. Verschweigen ist auch ganz toll. Es kommt immer darauf an, wie die Umwelt mit Fehlern umgeht. In meinem Job ist es so, dass wir eine miserable Fehlerkultur haben. Man darf keine Fehler machen und wenn doch, dann gibts ne Watschen. Das führt dazu, dass man Fehler verschweigt und hofft, dass sie nicht auffallen. Aber somit nimmt man sich das Potential für Verbesserungen also Vermeidung von Fehlern. Aber das begreifen einige nicht in ihrem Perfektionismus. “

    Über solche Fehlerkulturen und bessere Lösungen habe ich meine Bachelor Thesis geschrieben. Beispielsweise die Andon Reissleine, die benutzen japanische Betriebe. Wenn ein Fehler entdeckt wird, wird die gezogen und die gesamte Produktionslinie stoppt. Alle Techniker müssen hinrennen und diesen Fehler so lösen, das er niemals wieder auftritt, dann geht es erst weiter.
    Ansonsten wird der immer wieder Fehler reproduziert, weitergegeben und tritt spätestens beim Kunden auf…

    Wo ich jetzt arbeite ist es wie bei dir beschrieben. Daran habe ich, trotz besseren Wissen, einfach keine Chance dies zu ändern. Das liegt wirklich am Bewusstsein von den Menschen, tradierte Werte…

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