Wir trafen uns das erste Mal in einem Projekt-Kick-Off. Ich war erst ein halbes Jahr in der Firma und kannte diese sehr große sehr weiblich geformte Frau im Minirock noch nicht. Ich fühlte mich in ihrer Gegenwart etwas klein geraten. Schließlich endeten ihre Beine da, wo meine ganzer Körper schon längst aufgehört hatte zu existieren. Äußerlich aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung eine sehr respekteinflößende Person. Tiefe dunkle markante Stimme. Mein erster Eindruck wurde dann im Laufe des Meetings bestätigt. Zu meinem Erstaunen schienen alle Anwesenden Respekt vor ihr zu haben. Sogar die die sonst sehr bestimmend und schonungslos direkt waren, kuschten. Hee hee das beeindruckte mich. Jemand, der M dazu bringt kleinlaut zu werden, verdient Respekt.
Dann Mitte letzten Jahres bat sie mich um ein Gespräch. Mein Kollege warnte mich. „Pass auf die Frau ist studierte Psychologin“. Ja und? Meinst du sie schaut in mein Hirn und manipuliert mich? Ich gebe zu, ich begab mich in das Gespräch mit dem Vorhaben etwas genauer als sonst auf Worte und Körpersprache zu achten. Das Gespräch begann damit, dass sie mir berichtete, dass sie gute Chancen auf eine neu zu gründende Abteilung hätte und nach fähigen Leuten sucht. Und ihre Mitarbeiterinnen hätten ihr viel positives über mich berichtet. Ich denk mir, gut ich weiß, dass ich nicht schlecht bin und du bist nicht der erste Mensch der mir das sagt. Lob zieht bei mir nur bedingt. Also weiter. Während sie mich fragt, ob ich Lust hätte in ihrer neuen Abteilung anzufangen, rutscht sie nervös auf ihrem Stuhl herum und streicht sich verlegen durch das Haar. Ok, denke ich mir, so selbstsicher wie sie den Eindruck erweckt ist sie doch nicht. Etwas erstaunt verlasse ich ihr Büro. Ich bekomme Bedenkzeit und komm am nächsten Tag zum Hospitieren vorbei. Sie gibt mir einen Einblick, in das was ihr Team so zu leisten hat. Dabei sitzt sie locker auf ihrem Chefsessel aus Leder. Setzt sich auf ihre Beine und fleddert sich quasi hin als wäre sie zu Hause. Entspricht eigentlich eher meiner Sitzposition als der, die ich von ihr kenne. Schließlich hat sie sonst eher einen Stock im Rücken. Im Sitzen wie im Gehen. Brust raus und Rücken gerade. Auch sonst erinnert sie mich immer eher an eine vornehme Dame, als an einen Bauarbeiter wie mich. Daher verwirrte mich diese scheinbare Vertrautheit. Wir einigten uns darauf, dass ich ihr noch Input liefere für das wichtige Meeting, in dem über die neue Abteilung entschieden wird. Sie hat zwar gute Karten aber etwas Input schadet ja nie. Das Resultat dieses Meetings war jedoch „Es ist alles aus. Alles ist aus.“ Irgendwie waren ihre Karten wohl doch nicht so toll und irgendjemanden hat gegen sie intrigiert und behauptet sie will den Job nur, weil sie Geld braucht. Und überhaupt alle böse. Eigentlich alle. Die Nacht hat sie heulend mit Wein verbracht. Meine Frage nach dem Plan und den Argumenten, die sie vorgebracht hatte, beantwortete sie mit „Na deine? “ Wie das war alles? Mehr hattest du nicht? Ich war irritiert, wie konnte jemand davon ausgehen gute Chancen auf eine neue Abteilung zu haben, wenn er eigentlich keine Argumente hat. Ich hab meine ja erst viel später geliefert. Ich versuch sie zu trösten und Mut zu machen dass noch nicht alles vorbei ist. Sammele neue Argumente und hab ein Treffen mit einem von den Entscheidern. Man erklärt mir einige Gründe, die mir zu denken geben. Inklusive der kleinen Tatsache, dass ihr Chef ja nichts von der neuen Abteilung wüsste und dass man nicht ohne genauere Voruntersuchung zum Sinn und Unsinn der neuen Abteilung wolle, dass sie sich eine blutige Nase holt. Sie hätte sich schon einige geholt. Apropos ihr Chef. Dieser bekommt natürlich Wind von der Sache und revanchiert sich durch Streichung einiger „Privilegien“, wie Homeoffice. Was ihr natürlich schmerzt da sie gern ihrem Zweitjob der Psychotherapie nachgeht. Naja Chef dooooof. Wie kann er nur? Sie hat doch gar nichts getan. Ähh Einspruch! Du hast ihn hintergangen! Das war dann eine der Situationen, in der ich sie fragte, wer von uns zwei denn Psychologie studiert hat. Ich hätte ihr an seiner Stelle den Arsch versohlt. Und ich für meinen Teil hatte mich von Anfang schon mental darauf vorbereitet von meinen Chefs ins Büro zitiert zu werden. Auch ich hatte sie hintergangen und verschwiegene Probleme öffentlich gemacht. Aber komischer Weise lies man mich in Ruhe. Ich frag mich heute noch warum.
Wir setzten die Zusammenarbeit fort und ich half bei eignen Fehlerrecherchen und Problemlösungen. Und nebenbei versuchten wir noch die ein oder andere Prozessoptimierung zu forcieren. Da waren wir uns ja einig. Es gibt einiges zu verbessern. Plötzlich sagte sie jedoch ein seit Monaten geplantes Meeting ab, mit den Worten, sie wisse nicht mehr, worum es ginge. Ich war irritiert und tief enttäuscht. Und machte meinem Ärger auch Luft. Schließlich hatte ich mich mal wieder zwei Tage und Nächte drauf vorbereitet. Sie war zwar Organisator aber ich der Denker. Aber was soll das? Als sie beim nächsten angesetzten Termin krank war, erhielten wir die Erlaubnis auch ohne sie zu meeten.
Auf ihre Initiative hin, wurde eine neue Arbeitsgruppe gegründet. Unter Vorsitz der Teamleitung des Teams, das sie in ihre neue Abteilung integrieren wollte. Als das erste Treffen etwas chaotisch verlief, nutzte sie die Chance noch mal bei ihrem Chef anzubringen, dass es doch sinnvoll wäre, wenn sie Chefin über beide Teams die Meetings steuern könnte. Das fand ich noch ok, bis besagter Chef die Kritik an der Leitung des Meetings weitergab. Und ich feststellen durfte, dass auf der anderen Seite keine Ahnung hatte, was da im Hintergrund abging. Ich saß plötzlich zwischen den Stühlen und bat sie darum, die andere Seite doch bitte mit einzuweihen. Was sie dann auch tat. Mehr oder weniger. So weit so gut dachte ich mir. Aber falsch gedacht. Während ich das Sitzungsprotokoll gegenlas und korrigierte, kam von ihr nichts, außer Kritik. Hilfe und Korrekturen, Fehlanzeige. Das gleiche bei der Agenda für die nächste Sitzung. Da ich kein organisatorisches Talent habe, konnte ich wenige hilfreiches beisteuern. Von ihr kam wieder nur Kritik und ein „Was soll ich denn machen? Ich kann ihr ja nicht vorschreiben, wie sie die Agenda aufzusetzen hat. Ich bin ja nicht ihre Vorgesetzte.“ Mein Einwurf, dass sie ja trotzdem Vorschläge bringen könnte, wurde irgendwie überhört. An den Meetings im nächsten halben Jahr nahm sie auch nicht mehr teil. Stattdessen schickte sie immer wieder abwechselnde Vertreter aus ihrem Team. Und nach jedem Meeting wurde jedoch beim Chef Kritik geübt, dass alles immer noch so chaotisch und verwirrend für alle Teilnehmer sei. Der gab die Kritik natürlich weiter. Und am Ende der Kette erfuhr ich wieder davon. Nach jedem beschissenen Meeting. Aber auf den Leiter des Meetings wurde nie direkt zugegangen. Nein, es wurde nur Kritik an höherer Stelle über ihn verübt. Wie waren doch noch mal die letzten Worte bezüglich dieses Themas an mich „Ich lehne mich zurück und warte ab, bis alles schief läuft.“ Meine Antwort war „Da hast du die Rechnung ohne mich gemacht. Ich werde dafür sorgen, dass es nicht schief läuft“
Ich weiß nicht mehr in welchem Zusammenhang ich mal sagte „und die Arbeit dürfen dann andere für dich machen“. Aber irgendwie bekam ich immer mehr den Eindruck, dass es gut war, dass andere für sie arbeiteten. Von ihr selbst war nicht viel zu erwarten. Ich merkte auch, dass vieles was wir besprachen – vor allem auch fachliches – keine Halbwertszeit von 24 Stunden hatte. Ich durfte immer wieder von vorn beginnen und hatte oft das Gefühl, dass ich als Außenstehender mehr weiß als sie. Wobei ich auch erwähnen muss, dass sie meine Fähigkeiten durchaus zu schätzen wusste. Ab und an hatte ich das Gefühl, sie würde mir aus der Hand fressen.
Anstelle eine Zusammenarbeit der beiden Teams, die sie unter ihrer Führung zusammenlegen wollte, zu forcieren und somit zu zeigen, dass eine Zusammenlegung sinnvoll ist, machte sie das Gegenteil. Sie verweigerte eine Zusammenarbeit, auch wenn dies aus Prozesssicht sinnvoll gewesen wäre und durchaus einiges optimiert hätte. Und ja, sie weigerte sich wirklich. Wieso sollte sie auch. Solange sich die neue Abteilung nicht hat, sieht sie es ja gar nicht ein. Nein stattdessen warte sie ab. Dieser beleidigte Tonfall hatte schon was. Bei mir erreichte er jedenfalls, dass ich mich immer mehr von ihr distanzierte und skeptischer gegenüber ihren wahren Beweggründen wurde und mich auf meine Arbeit mit „meinem Team“ konzentrierte.
Das erste Mal etwas ungehaltener wurde ich, als ich damit konfrontiert wurde, dass ein Fehler, den ich vor einem Jahr an ihr Team gemeldet hatte, noch nicht gelöst wurde. Stattdessen wurde das Problem jetzt weitergeleitet an eine andere Abteilung. Deren Aufgabe zwar die Verwaltung solcher Problemfälle ist, aber nicht die Lösung. Ich erklärte deutlich, dass ich nicht nachvollziehen kann, wieso sie das Problem noch nicht gelöst haben und warum jetzt jemand diese Problem übernehmen soll, der es nicht lösen kann. Und das es doch bitte in ihren Verantwortungsbereich fällt. Mit der halben Firma auf CC.
Mit jedem Mal wenn ich damit konfrontiert wurde, wie egoistisch sie ihre persönlichen Ziele verfolgt und wie gern andere kritisiert werden, wurde ich wütender. Dass sie mich für ihre Zwecke eingespannte hatte, war zwar unschön. Aber es war meine Entscheidung und ich hatte dabei eigene Ziele und stehe immer noch hinter gewissen Ideen. Aber auf Kosten von anderen, die zum einen ungewollt und unschuldig in die Schußline geraten sind, und die mir zum anderen als Menschen auch noch wichtig sind, verfolgt man keine eigen Ziele. Macht man keine Karriere. Nicht wenn ich das verhindern kann. Ich schau nicht weg. Wer hat dir das erlaubt, so auf anderen Menschen rumzutrampeln, nur weil es gut für dich ist?
Nach Monaten kündigte sie mal wieder an, an unserem dreimonatigen Meeting der Arbeitsgruppe teilzunehmen. Genervt und wütend wartete ich darauf was wohl kommen mag. Sie erklärte uns, dass sie uns wohl noch mal erklären müsste, wie alles funktioniert. Sie hätte das Gefühl, wir hätten nicht verstanden, worum es geht. Ich brodelte schon innerlich, da dies ein Schlag in die Magengegend war für alle die im Gegensatz zu ihr seit zwei Jahren kontinuierlich an dem Thema arbeiten. Und wie immer erklärten wir ihr die Dinge, die sie nicht wusste, aber hätte wissen müssen. Es folgte dann vor versammelter Mannschaft eine Aussage, dass ihre Mitarbeiter immer verwirrt aus den Meetings kommen würden. Das war dann zu viel es guten und ich knallte ihr ein „Deine Mitarbeiter tragen ebenfalls zur Verwirrung bei uns bei“ entgegen. Gefolgt von ein paar Beispielen. Nachdem sie uns dann noch erklären wollte, dass wir alles was wir im letzten halben Jahr beschlossen hatten, wieder rückgängig machen sollten, verlor ich leicht die Kontrolle über mich und entgegnete sehr gereizt, laut und entschlossen, dass ich es unangebracht finde, jetzt nach einem halben Jahr alle unsere Entscheidungen in Frage zu stellen. Und wenn sie anderer Meinung ist, dann möge sie entweder selbst zu den Meetings erscheinen oder ihre Mitarbeiter entsprechend instruieren. Nachdem ich dann noch einen weiteren Vorschlag von ihr blockierte, verließ sie wutentbrannt das Meeting und rannte zu ihrem Chef, der doch bitte dafür sorgen sollte, dass ihr sinnvoller Vorschlag umgesetzt wird.
Ach und der Kreis schloss sich. Kurze Zeit später wurde ich interviewt bezüglich dieser ominösen neuen Abteilung bzw. den Problemen die man damit lösen kann. Mit den gleichen Leuten mit denen ich mich vor einem Jahr unterhalten hatte. Nur diesmal waren meine Antworten anders und ich machte keinen Hehl daraus, dass ich gewisse Pläne nicht mehr unterstütze. Ich steh zwar immer noch hinter der Idee, die ich vor einem Jahr unterstützte. Aber nicht mehr hinter der Person. Dies sagte ich sehr deutlich. Man bat mich ja ehrlich zu sein. Ich wurde aus dem Interview entlassen mit einem Lob für meine gute Arbeit, dich ich leiste. Wie sagten sie so schön, manchmal ist es gut ein Lob von neutraler Seite zu erhalten. Lob zieht bei mir nicht,aber ich verstand, was man mir sagen wollte. Genau wie man verstand, wie wütend und enttäuscht ich war. Aber wie kann ich nur. Schließlich habe ich einfach nur nicht begriffen, wie großartig sie ist und dass sie eigentlich wie ein Bereichsleiter denkt und zu höherem berufen ist. Ach ja und nachdem endlich der Leiter unserer Arbeitsgruppe sie darauf ansprach, sie möge doch bitte die Kritik ihrerseits doch noch mal bilateral klären. Kam nur ein „Deine Arbeit ist toll. An der Verwirrung sind die anderen schuld“ … irgendwie habe ich das anders im Ohr.
Am Ende gewann ich die Erkenntnis, dass es Gründe gibt Psychologie zu studieren, die oftmals in einem selbst und in der Kindheit zu suchen sind. Aber ich las irgendwo, dass man nur ein guter Psychologe sein kann, wenn man in seinem eigenen Leben aufgeräumt hat. Hmmm ich mag mich nicht auf ihre Couch legen. So wie ich sie kennengelernt habe, tritt sie sehr selbstsicher auf und ist davon überzeugt alles besser zu wissen. Zumindest in ihrem Hauptjob trifft dies aber nur bedingt zu. Mal abgesehen davon, dass sie nicht den Eindruck macht, sehr viel Empathie zu besitzen. Außer für sich selbst. Selbstkritik, Fehlanzeige. Kann man so ein guter Psychologe sein? Irgendwie macht mir das Angst.
Verständnis und Empathie kann ich im Moment nicht wirklich empfinden. Die ist vielleicht auch belegt. Und ich will auch nicht. Ich verstehe nicht, wie man mit 40 als studierte Psychologin so wenig zur Selbstreflektion fähig ist.
Mein Kollege warnte mich. „Pass auf die Frau ist studierte Psychologin“.
Und jetzt warte ich auf die Rache der Psychologin. Ich hörte die könne übel ausfallen.
Wie wär’s wenn Sie mir alles erzähln
Rosenstolz – Die Psychologin
Das Tonband läuft – wir sind allein
Und du liegst auf deiner Liege
Ich sitz hier auf meinem Stuhl
Schau dir lustvoll in die Augen
Ich bin permanent nur cool
Kenn die Wirkung meiner Leistung
Ich steh mitten in der Mitte
Während du schon lange aufgibst
Sage ich: „Der Nächste bitte“
OHOHO OHOHO Ich bin deine Psychologin
(Freudianerin)
OHOHO OHOHO bin deine Psychologin
(Fliehn hat keinen Sinn)